18.1., Ilha Grande
Schlaflos, eh klar. Bin ja nur herumgekugelt gestern. Ab Mitternacht werden die Temperaturen erträglich, ab Drei wird´s angenehm. In mir gluckert es wie im Regenwald. In der Früh weckt mich ein dümmlicher Vogel, der anhaltend gegen sein Spiegelbild auf einer der Fensterscheiben peckt. Erzählungen zufolge macht er das schon länger. Entweder keine Erinnerung oder gar kein brauchbares Hirn, der Arme. Hätte mich nicht der Pecker mit dem Pecker aus meinen Träumen gerissen, hätte es mit Leichtigkeit der Brüllaffe erledigt, der sich ebenfalls ausdauernd und lautstark bemerkbar macht. Also raus aus der Schlafstatt und einen Tee geschlürft. Nando, der Insulaner mit Zahnkette und Wuschelbart, hat sich zwar sicher nicht geduscht, seit ich ihn das erste Mal getroffen habe, reißt mir aber hinterm Haus ein Büschel haarige Blätter ab, die gut für die Verdauung sein sollen. Hoffentlich, bitter genug sind sie.
Unten an den Stränden ist der Sand so brennheiss, dass man es ohne Fußbekleidung nur ein paar Sekunden lang aushalten kann, aber das Meer ist immer da. Beim Schnorcheln kommt mir wie versprochen eine Schildkröte unter. In Brasilien stehen sie schon lange unter Schutz und man sieht sie scheinbar häufig. Der Pfad links vom Dorf führt zu einem Höllenort, direkt an einer malerischen Flussmündung ins Meer. Vielleicht haben die politischen Gefangenen, die hier in kleinen, finsteren Zellen eingesessen sind, das Rauschen der Brandung hören können. Jeweils ein vergittertes Oberlicht verbindet die winzigen Räume nur mit einem schaurigen, ebenerdigen Trakt des Gefängnisses, das durch die massiven Steinquader, mit denen es einst gebaut worden ist, von außen eher wirkt wie die Ruine eines antiken Tempels. Hoffnungslos und feucht muss es gewesen sein. Alles ist feucht auf Ilha Grande, sogar meine Taschentücher riechen schon modrig.
Einen authentischeren Caipi als den, den mir eine Alte am Strand vor dem Häfm mit Zutaten aus ihren zwei Styroporboxen anrührt, werde ich nicht mehr so schnell bekommen. Ringsum ausgelassenes happy life. Musik, Kinder, Hunde, jung, alt, alle miteinander, anders als bei uns. Weiter latsche ich einen Weg ins Hinterland hoch, vorbei an den Überresten eines Aquädukts, das laut Schautafel dereinst aus Stein und Walöl? errichtet wurde, zu einem einsamen Wasserfall. Reingehüpft in einen der mit spitzen, aber rutschigen Felsen gefüllten Pools, den Wind und die Gischt genossen und tiefenerfrischt zurück in die Zivilisation, während es schon dämmert. Ein scheinbar niemals versiegen wollender Ameisenstrom versperrt mir den Weg, flächendeckend über drei, vier Meter Breite ergießt er sich über den Pfad. Es bleibt nichts, als schnell durchzuhüpfen und trotzdem gebissen zu werden.
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