Samstag, 1. Januar 2022

 31.12., Aqaba

Ein Unwetter zieht des Nächtens über die Stadt, damit hätte ich nicht gerechnet. Getaucht wird trotzdem. Direkt vom Strand schwimmen wir zu einem fünfundsiebzig Meter langen libanesischen Frachter, der 1982 während eines Feuers an Bord  schwer beschädigt und später kontrolliert versenkt wurde, damit Fische und Taucher etwas zu sehen haben. Freilich leidet bei absichtlich platzierten Objekten der Abenteuerfaktor, aber bitte. 

Der  Hauptmast mit intaktem Krähennest ragt ins blaue Meer, das Schiff liegt auf der Seite. Ein Loch klafft im Rumpf, wahrscheinlich von einer Sprengung. Gleich daneben liegt die Tarmac Five, eine von der Firma Alcatel 1996 nach Beendigung der Verlegung eines Stromkabels nach Ägypten zwanglos entsorgte Plattform mit neun mal neun Metern. 

Ums Eck steht ein Typ wie eine Säule unter Wasser, wie bestellt und nicht abgeholt. Mittels dreier Finger, die er sich auf seine Schulter legt, gibt er unserem Guide zu verstehen, daß er Militarist ist. Dann hält er sich eine Faust gegen die Stirn, scheinbar das Zeichen für den König. Wir sollen uns zügig schleichen. Ist der Staatenlenker also schon wieder da. Scheinbar lassen seine Amtsgeschäfte genügend Spielraum für ein gewisses Maß an Freizeitaktivitäten. Soll sein, wir sind ohnehin schon durch mit unserer Runde. 

Nächster Programmpunkt der Unterwassertour ist das Underwater Military Museum. Auf einer Länge von 140 Metern sind einundzwanzig Objekte in Sand und Seegras deponiert, Hubschrauber, Kanonen, Panzer, Jeeps, ein Sanitätsfahrzeug, Truppentransporter, usw. Rundum Korallenstöcke, Kugelfische und Anemonen, sweet. 

Abends platzt die Stadt aus allen Nähten. Es staut von allen Himmelsrichtungen, was einleuchtet, weil der Hauptkreisverkehr von lustwandelnden Horden aus dem ganzen Land belagert wird. Die Süße und ich fallen mit unserem Tauchguide Thaer im Believe you ein, einer sogenannten Soft Bar am Dach eines stillgelegten Hotels hoch über der Stadt. Zu Brother Loui Loui Loui und vergleichbarem Liedgut werden brennende Shots und das erste Bier nach zehn Tagen der Askese gereicht, dazu Taucherlatein an der Schmerzgrenze. Darüber hinaus werden Einblicke in soziale Besonderheiten gewährt. Möchte Thaer eine Frau ehelichen, muß er an deren Eltern zirka dreitausend Juros abdrücken. Der gleiche Betrag wird im Falle einer Scheidung fällig.  Die Ex kann dann froh sein, wenn noch irgendwo ein alter Knacker für sie abfällt. Mehr als vier Frauen gleichzeitig darf Thaer ohnehin nicht unterhalten. Fände er also Gefallen an einer fünften, müsste er eine aus dem Sortiment abstoßen,  um den islamischen Gepflogenheiten zu entsprechen. Die fertige Betreiberin der Bar ist übrigens Christin, nur deswegen darf sie das. Die ehrenhafte Muslimin sitzt hauptsächlich zu Hause und verhält sich ruhig. 

Unser Mann ist bald sehr dicht und muß daheim noch mit der ganzen Family Mamas Geburtstag feiern, der Arme. Wir schauen uns die paar Raketen, die in Eilat und Aqaba verschossen werden, vom Balkon aus an. Böller werden reichlich gezündet und die Krähen packen es nicht. Panisch irren sie zu Hunderten im Luftraum herum, wie in Hitchcocks Die Vögel.


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