21.1., Ilha Grande
Die heutige, tagesfüllende Mission lautet: Caipirinhas am Gefängnisstrand trinken, zusammengeschüttelt mit Stil von der zahnlosen Alten im makellosen Shaker. Während ich so schlürfe, schaue ich mir die brasilianischen Wochenendgesellschaften an, Profis am Werk. Eine Partie hat sich doch tatsächlich ihr eigenes Fünfzigliter-Bierfass mitgebracht, mit Zapfanlage und allem. Ein Jüngling einer anderen Familie, zwölf oder vierzehn Jahre alt, ist so dicht, dass er lallend und ziellos in der Flussmündung herumstolpert. Seine Mutter oder Oma, auch voll hinüber oder schon wahnsinnig geworden ob der Bürde der Mutterschaft, zerrt ihn schreiend im Dreck herum, bis der abgefüllte Knabe schließlich von ihr und einem anderen wie ein zerschossener Soldat weggeschleppt wird. Hier entsteht also der Stoff für die beliebten Telenovelas, das Material würde für mehrere Folgen reichen. Die Musik dazu kenne ich auch schon, der Strand wird über mehrere strategisch verteilte Ghettoblaster mit den angesagtesten Hits beschallt.
Als ich zurück zum Dorf komme, ist das Fest zu Ehren des heiligen Sebastian schon in vollem Gange. Während der Nimbus seines halbheiligen Namensvetters aus Österreich kürzlich arg gelitten hat, erfreut sich der Schutzpatron hier noch größter Beliebtheit. (Glaubt man den Umfragewerten, haha.) Es gibt eine Prozession, eine Bühne und Standln mit Zeug und Fressalien, wobei alles dafür Notwendige mit Handwagerl her gekarrt wurde. Aus unerfindlichen Gründen gibt es trotzdem drei Autos auf der Insel, eine Ambulanz und zwei private Fahrzeuge. Das befahrbare Straßennetz erschöpft sich in höchstens fünfhundert Metern, da wird´s ein Weilchen dauern bis es Zeit fürs 25000 km-Service ist. Die Bullen haben noch zwei etwas sinnvollere Geländemotorräder vor ihrem kleinen Gefängnis, das aussieht wie im Western, geparkt. Anyway. Eingedenk des Martyriums Sebastians esse ich eine Ladung Acarajé, das sind zu einem Teig verarbeitete und in Palmöl frittierte Bohnenlaberl, dann mutiere ich heim über den großen Gleichmacher. In welchem Aggregatszustand man sich zuvor auch immer befunden hat, nach Absolvierung des Waldweges ist man nur mehr verschwitzt, durstig und müde.
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