18., 19. 12., Playa del Carmen, Cozumel
Auf dem Wochenmarkt wühlen Frauen mit Hingabe in großen Wannen nach Kleidung, die per Kilo zu bezahlen ist, während wir an frisch frittierter Schweinehaut knabbern. Die vierzehnjährige Tochter der Französin verkündet, daß die am besten zu Bier schmecken würde. So wie Ena auch eine kleine Expertin für alle Lebenslagen.
Meine Hoffnung, dem Trubel hier zu entfleuchen, ruht auf der Insel Cozumel. Bei Tagesanbruch beladen die Süße und ich die Mopette mit unserem Zeug und fahren zur großen Autofähre außerhalb der Stadt. Gerüchte, wonach wir mit unserer Leihgurke ohne Taferl abgewiesen werden könnten, bestätigen sich nicht. Zwischen zwei Sattelschleppern werden wir passgenau verladen. Es ist laut, staubig und es geht um jeden Zentimeter, man kommt am Weg zum Oberdeck fast nicht mehr zwischen den Autos durch.
Zwei Stunden später passieren wir schon die gigantischen internationalen Kreuzfahrtschiffe, die ihre Passagiere auf Cozumel für Tagesausflüge ausspucken, darüber hinaus landen hauptsächlich Flugzeuge aus den Staaten direkt neben unserem neuen Quartier. Im Innenhof flattern die Kolibris herum und für Ena gibt´s frische Pancakes, aber eine erste Erkundungstour fällt ernüchternd aus.
Die Gesamtheit der zum Festland zeigenden Inselseite ist vollständig verbaut. Resorts, Beach Clubs, Hotelanlagen haben sich die gesamte Küste zur Gänze eingenäht. Es gibt quasi keinen einzigen freien Zugang mehr zum Meer. Unsere Vermieterin, die seit fünfundzwanzig Jahren auf der Insel lebt, schwimmt und schnorchelt, wenn ihr danach ist, direkt am Pier der Autofähre, dem letzten verbliebenen Fleckchen auf einer Länge von dreißig Kilometern. Dort tümpeln Insulaner und Touris, die keinen Eintritt ins Meer bezahlen möchten, in einer Schneise von vielleicht zehn Metern vor sich hin, Skandal! Die Obrigkeit ist sich nicht zu blöd, hier in einem Bretterverschlag einen Life Guard zu postieren, der über das Wohl der Badegäste wacht.
Die Anbiederung der Mexikaner an die Amerikaner treibt seltsame Blüten. Notrufnummer 911. Üppigste Weihnachtsbeleuchtung mit Rentieren und der Disneyfamilie sowieso, Chickas auf Rollschuhen im Hooters. Lokalitäten mit Namen wie " I dont´t give a dick" oder "Fucking Tacos" auf der Jagd nach dem Dollar. Auf der Insel in mexikanischen Pesos zu bezahlen ist unüblich. Mit einer miserablen Rate rechnet man vom Dollar zurück. Bei einem Sackerl Chips im Supermarkt um zehn Euro hört sich der Spaß dann auf.
Abends schauen wir uns beeindruckende Fregattvögel an, die sich für die Fangabfälle zweier Fischer aus ihren luftigen Höhen herabbequemt haben, spricht uns ein bärtiger Typ an. Er hätte Alk in seiner Thermoskanne und daheim noch Wein, ob wir mit ihm mitkommen möchten. Äh, nein, danke. Ena hingegen ist begeistert, Wein! Unterwegs raunt mir Rudi, so nennt er sich, zu, er werde mich schon nicht umbringen oder vergewaltigen. Dann saufen wir seine Reserven aus, schauen uns sein schönes Haus an, videotelefonieren dicht mit seiner konsternierten Familie, politisieren und philosophieren und wanken sehr viel später gemeinsam in eine lässige Bar. Rudi ist Pole und lebt abwechselnd in den Estados Unidos und auf Cozumel.
Birria, eine Fleischsuppe mit Fleisch und noch gewürzt mit Chipotle schmeckt gut, aber warum man denn nicht wenigstens ein bisschen Gemüse reinschnibbeln könnte? Die Lady an der Bar verzieht das Gesicht. Beim Gedanken daran schaudert es sie. Rudi kann unterdes die Erddrehung nicht mehr wirklich ausgleichen. Wir parken ihn daheim und finden auch den Weg in unser Bett.