10.12., Campeche
Er könne mir meine Colaflasche nicht mit Sprit auffüllen, erzählt mir der Tankwart allen Ernstes, sie entspräche nicht den gesetzlichen Vorschriften! Wir sind hier in Mexiko, Oida, quasi rechtsfreier Raum! Ich brauche meine taktische Reserve morgen unbedingt, wenn ich in die Berge fahre. Ich muss echt bitten und betteln, bis er sich herablässt, und Trinkgeld will er dann auch noch, der Benzinschnüffler.
Heute cruise ich noch der Küste entlang. Vor dem kleinen Fischerhafen drängen sich Pelikane und Kormorane auf einem halb versunkenen Boot, wahrscheinlich ist der Gestank an Bord unwiderstehlich. Ein paar Kilometer weiter wurde im achtzehnten Jahrhundert auf einer Anhöhe das Fuerte de San Miguel errichtet, eine prächtige Festung mit Zugbrücke über einen Wassergraben, wo jetzt züngelnde Leguane in der Sonne liegen. Ein gewundener und von hohen Mauern umgebener Zugang, zum Meer hin eine Batterie von Kanonen, um die Piraten zu befetzen.
In den ehemaligen Magazinen beweist eine Ausstellung, dass Wahnsinn zeitlos ist. Abgesehen von ihren astronomischen Erkenntnissen, ihrer Architektur und ihrer Schrift hatten sich die Maya scheinbar komplett dem Irrsinn verschrieben. Neben ihrer kranken Obsession, Herzen herauszuschneiden, zu ertränken, zu köpfen etc. schliffen sie sich die Zähne und nähten sich Steine ins Gesicht. Mütter packten die Köpfe ihrer Kinder ab dem ersten Tag zwischen zwei Bretter und pressten ordentlich, um massive Eierköpfe zu formen, ein weiteres Schönheitsideal. Auch das Schielen wurde absichtlich herbeigeführt, indem man den Kindern mit Kügelchen aus Harz oder mit Perlen das Blickfeld einschränkte. Zwerge genossen hohes Ansehen und hatte man das Glück einen Buckel zu haben, war man überhaupt der King.
Den wohlhabenden Verstorbenen wurden wunderschöne Totenmasken aus Jade aufgesetzt und Amulette umgehängt. Für die gefährliche Reise in die Unterwelt wurden Hunde und Proviant mit ihnen mit bestattet. Heute pflegen noch sechs bis acht Millionen direkte Nachkommen der Maya die selbe Sprache, deren Traditionen und Riten, aber hoffentlich nur im Rahmen des gesetzlich Möglichen.
Durch einen unbegreiflichen Zufall treffe ich abends den Belgier aus Valladolid in Campeche. Bei ein paar Bieren im Park erzählt er vom Leben am Meer, von seinen Frauen und seinen Reisen, von einem Überfall in Nicaragua, von Numismatik, dem religiösen Wahn seiner Schwester und vieles mehr.
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