2.12., Valladolid
Auf um Drei, Mysterium Jetlag. Außerdem ruft Muttern an, Mysterium Zeitzone. À propos Zeitzone: Gestern habe ich auf meinem Weg nach Westen eine Stunde verloren. Kurz vor Sieben mache ich mich auf zur angeblich spektakulärsten Maya- Stätte Mehigos, nach Chichén Itzá. Nicht dass ich gesteigertes Interesse an dieser Anlage hätte, aber wenn mich die Geschicke schon hierher verschlagen, fühle ich mich irgendwie verpflichtet.
Oh wie schön es ist, frühmorgens hier herumzucruisen, ohne Gepäck und mit reichlich Tiger im Tank. Valladolid ist ein ausnehmend entzückendes Kolonialstädtchen mit großzügigen Plätzen vor altehrwürdigen Kathedralen und die Orientierung fällt leicht aufgrund der rasterförmigen Anordnung der Straßen. Auch über Land macht die Gegend Laune. Kleine Dörfer, viel Grün, wenig Verkehr.
Seit 2007 zählt C.I. zu den neuen sieben Weltwundern. Zu bestaunen gibt es zum Beispiel eine dreißig Meter hohe Pyramide, ein Observatorium, Tempel etc., allerdings nur von außen. Seit es jemanden vor einigen Jahren tödlich von einer der Ruinen gezaubert hat, ist´s vorbei mit dem Herumklettern auf den extrem hohen, schmalen und steilen Stufen, alle Bauwerke sind jetzt eingezäunt. Somit bleiben den Besuchern auch die inneren Räumlichkeiten verborgen, was eigentlich ein schlechter Witz ist. In einer Cenote, einer gefluteten Höhle mit eingestürzter Decke, wurden unzählige menschliche Knochen gefunden, sie galt als Tor zur Unterwelt. Reliefs zeigen Adler, die Männern die Brust aufreißen und deren Herzen fressen. Es gibt Opfersteine, eine Plattform, wo einst die Schädel geopferter Feinde ausgestellt wurden, und auch der große Ballspielplatz macht deutlich, wie verstrahlt die Mayas waren. Reliefs zufolge wurden Spieler der unterlegenen Mannschaft kurzerhand geköpft, Nachwuchsteams waren wohl schwer zu finden. Das Spiel selbst bleibt bis heute ein Rätsel. Der Platz ist begrenzt durch zwei gegenüberliegende, viele Meter hohe Mauern, in welche in luftiger Höhe jeweils ein Steinring eingefasst ist. Durch diesen Ring mussten die Spieler ein Balli schupfen, allerdings ohne die Hände zu gebrauchen. Jedenfalls klatschen die Besucher noch heute, was aber mehr am fantastischen Echo liegt. Noch ärger als die Mayas waren nur mehr die Azteken drauf. Zur Einweihung ihres wichtigsten Tempels wurden zwanzigtausend menschliche Herzen geopfert.
Jedenfalls, eine ganz gefällige Anlage. Aber kein Vergleich zu Ankor Vat in Kambodscha, das in seiner unfassbaren Geilheit niemals erreicht werden kann. Pünktlich zur Öffnung der Tore war ich schon hier, gemeinsam mit einer Heerschar an fliegenden Händlern, jetzt, keine drei Stunden später, fluten schon die Horden das Areal und ich ziehe von dannen.
Mitten in Valladolid gibt es ebenfalls eine Cenote mit klingendem Namen Zaci, ein großartiges, noch halb überdachtes Wasserloch mit fünfundvierzig Metern Durchmesser und einer Tiefe von bis zu hundert Metern. Von der Decke hängen Farne und Wurzeln und Stalagtiten. An drei Stellen plätschern winzige Wasserfälle herab. Das Schwimmen hier unten, dreißig Meter unter Straßenniveau, ist nur mit Schwimmwesten gestattet, soll sein. Das Wasser ist herrlich erfrischend, heute hat´s schon wieder mehr als dreißig Grad. Fische knabbern an mir, ein paar größere schwarze Fische mit Barteln sind auch dabei und ab und zu sind sie mit zu viel Eifer bei der Sache. Ein österreichisches Pärchen treffe ich, die hatten den Job, in einem Haus am Meer ein paar Monate auf einen Hund aufzupassen. Zu zweit! Jetzt reisen sie durchs Land und geben das verdiente Geld aus. Wo darf ich mich anmelden?
Abends schlendere ich mit dem Kanadier durch die herausgeputzte Stadt, es weihnachtet schon sehr. Gesoffen wird auch viel, frühmorgens wecken mich grausige Speibgeräusche.
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