5.12., von Tizimin nach Progreso
Wohin ich denn unterwegs sei mit meinem Moped, fragt mich ein Bursche an der Tankstelle, wo ich schwarzen Kaffee aus dem 0,4 l Becher schlürfe und mir zwei Eier dazu schäle. Progreso, so so, zwei Minuten später hält er mir eine handgeschriebene Liste hin. Nicht meinem Navi solle ich nachfahren, das wäre eine langweilige Route, sondern lieber die Carretera El Tajo nehmen über Kikil, Panaba und Yalsihon bis nach Dzilam de Bravo und von dort immer der Küste entlang über Santa Clara nach Progreso. Jeder könne mir da unterwegs weiterhelfen, sollte ich einmal nachfragen müssen, buen viaje.
Na gut, denke ich mir, wenn er sich schon so bemüht hat. Tatsächlich, jeder kennt den Weg. Aber niemand spricht Englisch, um ihn mir auch erklären zu können. Die Mexikaner haben außerdem die zweifelhafte Gabe, mit nur einer Geste in zwei Richtungen zeigen zu können. Zuerst deutet man mit Schwung hierhin, beschreibt dann einen Halbkreis nach oben und endet damit, abschließend in die entgegengesetzte Richtung, also dahin zu deuten und auch zu schauen. Alle bemühen sich redlich, ein Alter eskortiert mich sogar bis zu einer Schlüsselstelle, und der Aufwand lohnt sich. Hier sind sie also, die sonnengegerbten Männer mit den großen Hüten und den fehlenden Zähnen, die Cowboys mit den Macheten am Gürtel und den Schürzen über ihren Hosen. Schnurstracks und einsam verläuft die Straße zwischen den kleinen Ortschaften. Alle paar Kilometer zweigen Zufahrten zu Ranches ab. Blaue Vögel fliegen herum, Leguane flüchten ins Dickicht. Die Vegetation ist so dicht und lehnt sich dermaßen über den Straßenrand, dass nur ein sehr schmaler Korridor bleibt. Ein paar perfekt gereifte Avocados habe ich als Proviant dabei und einen Liter eiskaltes Kokoswasser kaufe ich mir beim bunten Greißler, aus frisch geernteten Nüssen in eine Flasche zusammengeleert. Dazu noch selbstgemachte süße Teigtaschen der Betreiberin, herrlich. Idyllisch ist es hier und später an der Küste. Verschlafene Dörfer, schaukelnde Fischerboote, Pelikane, die auf vermorschten Stegen hocken.
Leider ändert sich das. Die Straße wird breiter und ein Resort folgt dem anderen. Nachmittags erreiche ich Progreso. Worin der namensgebende Fortschritt liegen soll, erschließt sich mir nicht. Eine nichtssagende, eigentlich recht abgefuckte Stadt mit Strand halt, zu dem die Einwohner der südlich gelegenen Großstadt Merida bevorzugt strömen. Auf der Suche nach einem Quartier etwas außerhalb folge ich einer kurzen Sandpiste runter zum Strand, wo ich ein paar Kitesurfern zusehe. Tauchen plötzlich zwei junge Bullen auf einem Motorrad auf. Der eine: Bla bla bla bla bla? Ich: No entiendo Espaniol. Der andere: Bla bla bla blablablabla? Ich: No entiendo Espanol. Alles an ihnen schreit: Wir wollen diesem Gringo ein paar Scheinchen rausleiern, wir sind hier ganz alleine mit ihm, aber wir wissen nicht so recht, wie wir es anstellen sollen. Die Fahrzeugpapiere falten sie langsam auseinander und dann wieder zusammen und drehen meinen Ausweis, sicherheitshalber eine schon seit Jahren abgelaufene LKW- Fahrerkarte, sollten sie ihn nicht wieder rausrücken wollen, sinnlos hin und her. Hier dürfe man nicht fahren, setzt der eine zögerlich an, erzählt mir allen Ernstes etwas von Verletzungsgefahr und Schildkröteneiern. Ok, sage ich, und warte, was kommt. Nur oben auf der Straße dürfe man fahren. Ok, sage ich. Dann kratzen sich diese Fetzenschädel verlegen am Kinn und schauen blöd. Ok, sage ich noch einmal, setze mich dann aufs Moped und fahre langsam weg und die Deppen schlurfen wieder zu ihrem Motorrad zurück. Glück gehabt, aber Zimmer habe ich noch immer keines. Eigentlich will ich hier gar nicht bleiben, aber ich bin erledigt vom Fahren. In einem stinkenden, schmuddeligen, überteuerten Zimmer des Hotels Paradise checke ich nach längerer Herumfragerei ein, wenigstens funktioniert die Klimaanlage. Abends schaue ich mir noch den faden Malecon und den längsten Pier der Welt mit mehr als acht Kilometern Länge an. Das deswegen, damit draußen die großen Kreuzfahrtschiffe anlegen und die Influencer dieser Welt bequem zum Pig Beach pilgern können. Doch mehr dazu morgen.
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