Sonntag, 24. Dezember 2023

 23.12., Xcalak, Bacalar

Die Nacht war die Hölle. Alle paar Minuten aufgestanden und mit einem Zierpolster insgesamt mindestens fünfzig Gelsen gekillt, Ventilator und Klimaanlage an und unter dem Laken versteckt, heute trotzdem die Finger, die Handrücken und das Gesicht zerstochen. 

Xcalak ist von einem ausgedehnten Sumpf umgeben. Die rosafarbenen Flügel der ansonsten weißen Reiher, die auf abgestorbenen Bäumen hocken, sind vielleicht auf ähnliche Diät wie die der Flamingos zurückzuführen. Mariachimusik trällert aus dem Radio, wenn sich überhaupt ein Sender finden lässt. Eine ganz süße Ananas und ein Stück Bananenkuchen essen wir gleich am Straßenrand, sobald wir wieder in bewohntem Gebiet sind. Fast jedes Dorf schmückt eine für immer gestrandete Segelyacht. Ewig schade darum.

Nachmittags erreichen wir Bacalar, staatlich offiziell zum Pueblo Magico, zum magischen Ort ernannt. Die Kleinstadt liegt an einer großen, seichten Lagune mit türkisfarbenem Wasser, wahrscheinlich deswegen.

Leider setzt sich auch hier die nationale Unart fort, jeden Zugang zum Wasser und den gesamten Strand zu privatisieren. Nur drei öffentliche Stege bleiben, auf denen gedrängt die Badegäste sitzen, die keines der Freibäder oder Strandresorts besuchen möchten. Die Quartiersuche nimmt erneut viel Zeit und Nerven in Anspruch, bis wir endlich für zwei Nächte einchecken können, aber rechtzeitig zur glücklichen Stunde sitzen wir bei Mangomargaritas mit Mescal unter alten Käfer- Motorhauben, die als große Blütenblätter einer metallenen Blumenkonstruktion dienen. Die Belegschaft der "I scream"- Bar,langhaarige kleine Mexikaner mit Gesichtszügen wie die von Azteken, hatte uns mit einer lautstarken Vorführung ähnlich dem Haka der Maori ins lässige Etablissement gelockt, mit lautem Schreien im Chor, martialischen Gesten und auf die Tische springen. 

Zu sehen gibt es genug. Ein Tourettler lässt sich aus, betrunkene Landarbeiter torkeln vorbei, fliegende Händler, Kinder, die für ein paar Münzen aus Schilfblättern Blumen basteln. Auch Mennonitenfamilien flanieren durch die Gassen. 2010 gründete die Religionsgemeinschaft ähnlich der Amish hier eine landwirtschaftliche Kolonie, größtenteils ohne moderne Technologie. Recht cool schauen die Männer aus in ihren Hüten, Anzügen und den Hosenträgern über dem  Hemd. 

Weiter ziehen wir in ein Lokal mit angrenzendem Konzertsaal im Kleinformat, mit Schilfdach und uriger Band auf einer rot ausgeleuchteten Bühne, ausgeschlagen mit Plüsch, verhangen mit Tüchern mit Skeletten und Totenschädeln drauf. Typen mit fettigen Locken in Hawaiihemden, Sonnenbrillen auf, Tschick im Mundwinkel, Tarantino-Figuren mit Saxophon, psychedelisch wimmernde Gitarren, eine Lady im Kleid mit Violine, Musik aus einer anderen Welt. Ein alter Mexikaner mit Cowboyhut und Stiefeln swingt herum, wir stemmen 1,5 Liter-Glasflaschen mit Bier.


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