Freitag, 28. Februar 2025

 27..2., Jambiani

Hiasi schafft es fast rechtzeitig von Stone Town zu seinem ersten Tauchgang seit mehr als zehn Jahren. Treue Leser erinnern sich an seine ohnehin fragwürdige Ausbildung damals irgendwo in Indonesien, ale er sich den abschließenden Test mit aufs Zimmer nehmen durfte. 

Es folgt eine völlig wertlose Verschwendung meiner Lebenszeit. Bei starkem Wellengang, der bis in unsere bescheidene Tauchtiefe zu spüren ist, fühle ich mich wie ein Betrunkener im Schneegestöber nördlich von Novosibirsk. Hiasi rauft sich auch irgendwie durch die nächste halbe Stunde, dann brechen wir das Unterfangen ab. 

Nicht der Erwähnung wert ist der restliche Tag. Wenigstens hat Hiasi reichlich Fotos und ein paar Geschichten über die Serengeti und den Ngoro Ngoro-Krater mitgebracht. Er erzählt von allen nur erdenklichen Tiersichtungen und stinkenden Menschen, deren Dunst nach Rauchküche, Ziegenfleisch und ungewaschenem Dasein schon aus weiter Ferne wahrzunehmen gewesen sei. Während sich Sparfüchse in der Wildnis ein Igluzelt teilen mussten, residierte er wie dereinst Dr. Livingstone in einem geräumigen Luxuszelt mit Klo und Dusche. Trotzdem musste er unterwegs reichlich Sand fressen, hatte Fieber von der offiziellen Verpflegung und eine kaputtgescheuerte Sonnenbrille vom Fahren in unwegsamem Gelände.

Um elf Uhr nachts suchen wir den menschenleeren Strand nach einem geöffneten Lokal ab, aber die einzige Beleuchtung kommt von den Sternen über uns. Jambiani ist tot, und das schon Tage vor dem offiziellen Beginn des Ramadan. Widerwillig müssen wir uns dem fremdbestimmten Frühschluss, wie es Hiasi nennt, fügen. Irgendein bescheuertes Viech hat unterdessen Teile meines Buches weggeknabbert, vielleicht ein Bücherwurm.


Mittwoch, 26. Februar 2025

 26.2., Jambiani

Dinge, die man tun kann, wenn man es auf der Sonnenliege am Meer nicht mehr aushält, weil es dort unerträglich heiß ist und sich das letzte mitgeführte Buch als absolut lähmend herausstellt: 

Wasser, Brot, Mangos, Avocados und Kekse einkaufen, die Mopette auftanken, Wäsche im Mistkübel waschen, eine eh schon flächendeckend geflickte Hose, von der man sich nicht trennen kann, noch einmal zum Schneider bringen, an der Straße super essen gehen um siebzig Cent, zum Frisör gehen, duschen, weil man vom reichlich aufgetragenen parfümierten Puder stinkt, eine Mango essen, in die Apotheke um Aspros gehen, am klimatisierten Zimmer den Blog schreiben, zumindest bis zum nächsten Stromausfall, sich mit den zwei deutschen Mitbewohnern unterhalten, wobei der eine hauptsächlich abartig hustet, weil er serbische Marlboro raucht, mit einem der Angestellten Fußball im Resti-Verschlag schauen, obwohl man sich keine langweiligere Sportart vorstellen kann, und Bier trinken. 

Überwältigt von bleierner Langeweile schlafe ich immer wieder ein, wache auf und wende meine feuchten Socken oder knabbere ein paar Nüsse, bis mich abermals unruhiger, weil unverdienter Schlaf übermannt. Morgen kommt Hiasi vom Festland, dann starten wir hoffentlich noch einmal durch.

Auf den ersten Blick unmerklich, aber stetig rieselt es von der Decke meiner Behausung grobkörniges Holzmehl auf mein Bett. Im Laufe eines Tages kommt so locker ein Fingerhut voll tragender Bausubstanz zusammen und mit Sicherheit wird diese Hütte deswegen irgendwann einstürzen. Wird es mich heute Nacht erwischen oder darf ich noch ein weiteres Frühstück mit Labbertoast, Neonmarmelade und Löskaffee erleben? Stefsechef, living on the edge. 


Dienstag, 25. Februar 2025

 25.2., Jambiani

Zum Kaffee eröffnen mir die zwei entzückenden Resortdamen, sie würden sich schon bald Pässe besorgen und dann auch nach Wien kommen, ob sie sich dann bei mir melden dürften. Ein bisschen Geld hätten sie schon angespart und sie würden nur ein paar Tage bleiben. Bis vor fünf Minuten dachten die Damen noch, ich sei Australier, aber das Land ihrer Träume ist scheinbar jedes außer Sansibar. 

Auf der Suche nach Neuland quere ich wieder einmal die Insel. Irgendwie hat mein Roller Probleme mit der Kraftübertragung und rennt schon unter normalen Umständen schnell heiß. Tausendsechshundert Kilometer hat er schon weggesteckt, eine Woche muss er noch halten. 

In Bwejuu und Umgebung klappere ich die Strände und Unterkünfte ab, lande aber letztendlich wieder in Jambiani. Abends zieht ein veritabler Sturm auf. Einige Locals tragen sogar Pullis und Jacken, was ich bei über dreißig Grad aber für übertrieben halte. Im Lost Soles, einem mit hunderten angespülten Schlapfen dekorierten Strandpub, spielt heute ein Typ mit Muscheln in den Haaren und so weich wie Butter, die in der Sonne vergessen wurde. Ihm zur Seite spielt noch einer virtuos die Djembe und zu später Stunde gibt es niemanden mehr, der nicht seinen Körper zu afrikanischen Rhythmen winden und stampfend im Sand tanzen würde. Auch Klassiker werden bemüht, good friends we´ve lost along the way.

Ich glaube, die nächsten Tage werden nicht viel anders ablaufen, obwohl der mit März beginnende Ramadan schon seine Schatten wirft. Übermorgen kommt Hiasi vom Festland zurück und wir werden wohl tauchen und mit einem einst ausgewanderten Freund von ihm Segeln gehen, vielleicht passiert aber auch nix mehr. Die Exploration der Insel stelle ich jedenfalls ein, es gibt nichts mehr zu entdecken.


 24.2., Fumba

Unsere Bitte um Frühstück bringt den ganzen verschlafenen Laden in Aufruhr, obwohl er unter Bed and Breakfast läuft. In der Not wird kurzerhand eine Papaya gepflückt und aufgeschnitten und der Sicherheitsmann wird zweckentfremdet, borgt sich meinen Roller aus, damit er vom Dorf noch ein paar Chapatis und  Löskaffee für uns kaufen kann. Und dann wird´s schon wieder Zeit, die Süße zum Flughafen zu führen, eine muss ja das Geld nach Hause bringen. Neben unvergesslichen Erinnerungen wird sie auch Dreckwäsche und sonstiges unnötiges Zeug von mir im Gepäck haben, wenn sie morgen hoffentlich wohlbehalten in Wien aufschlägt. Leere in meinem Rucksack und ein wenig auch in mir.

Bei mir gurgelt es unterdes im Gebälk. Auch nach all den Wochen noch keine Spur von angewandter Resilienz. Am besten, ich mache es so wie dereinst der Präsident Tansanias, ich glaube einfach nicht mehr an Dünnpfiff. Bei ihm war es zwar Covid, aber das Prinzip bleibt das gleiche. Nachdem er damals zum Schluss gekommen war, dass es dieses Virus überhaupt nicht gibt, erkrankten seine Bürger auch nicht mehr an Corona und wenn doch, so waren die Symptome der Infektion maximal die einer Grippe. So wurde es mir gestern von einer  Festlandschönheit berichtet, also war es auch so. 

Weil noch Gulaschsuppe übrig sein muss, finde ich mich auch heute Abend beim Vorarlberger ein. Auch er hat interessante Thesen auf Lager. Zum Beispiel kann er auch bei größter Anstrengung nicht zunehmen, weil er als Kind zu wenig Fettzellen produziert hat. Dieser Umstand definiert jetzt und für immer seinen Körperbau. 


Montag, 24. Februar 2025

 23.2., Fumba

Gefährliche Tierattacken schon früh morgens. Ein Rabe entwendet dem französischen Nachbarn seine Medikamente und deponiert sie zerfetzt bei uns im Badezimmer und auf der Fahrt nach Fumba peckt eine Biene Ena ins Knie. 

Unter sengender Sonne starten wir mittags mit Issa Brown, dem Knaben, mit dem ich vor Wochen im Krankenhaus war, weil es seiner Frau nicht gut ging, einen Spaziergang durch sein Dorf. Angereist am Moped du dritt, wie es sich in Afrika gehört, schleppen wir uns an Kindern in Kopftüchern in zwei Koranschulen vorbei und schauen in den alten, tief getriebenen Dorfbrunnen. Zwei Köhlereien, einen Fahnenplatz und viel Grün rundum entdecken wir auch noch. Natürlich kennt Issa jeden und alles hier und später kochen wir Pilav mit Fleisch und Gemüse bei ihm daheim. 

Kinder krabbeln und schreien derweilen herum, die gehören irgendwelchen Schwestern oder Schwägerinnen. Unverputzte, aber wenigstens schon geziegelte  Wände, aber wenn der Wind ins Wellblechdach fährt, donnert es ordentlich. Seine Frau erklärt und gibt Instruktionen, teilt Ena zum Kokosnuss auspressen und zum Zerstampfen von Kardamom ein, wobei ein Baueisen als Hammer beziehungsweise Stößel dient. Vor dem Hauptgang verkochen wir nämlich noch Bananen, Kokosmilch, Kardamom und braunen Zucker auf der offenen Feuerstelle, geile Sache. 

Nach Stunden setzen wir uns unter Protest ab, wir müssen noch zum Vorarlberger. Das ist der, der früher für die UN als Mediator gearbeitet hat und jetzt einen Wirten am Strand führt. In bunter Runde wird Wein getrunken und hausgemachte Gulaschsuppe gelöffelt. Ein italienischer Weinhändler mit tansanischer Schönheit im Schlepp, dereinst vor Corona und den damit einhergehenden Pflichten und Restriktionen zuerst für Monate in seine Skihütte in Sestriere geflüchtet, dann gleich weiter nach Sansibar. Eine jamaikanisch-englische, wuchtige Boxerin und Menschenrechtsaktivistin, deren Vater Söldner in Bosnien war. Sie kann Geister sehen, Massengräber spüren und dergleichen mehr. Eine österreichische Meeresbiologin noch und ein paar Franzosen. 


 22.2., Kizimkazi

Ich träume, ich ziehe mit Mark Zuckerberg um die Häuser. Die meisten haben wohl ein falsches Bild von ihm, er ist eh ganz o.k. Und damit habe ich den spannendsten Teil meines Tages auch schon vorweg genommen. Auf Geheiß von unten verbringen wir heute einen ruhigen Tag am Pool. Olta, is mir fad! Da ist das japanische Science Fiction-Buch aus den Siebzigern, das mir noch zum lesen bleibt, auch keine große Hilfe. Sonnen, abkühlen, sonnen, Bier mit Cola, Sonne geht theatralisch unter, Fledermäuse kommen, essen, gähn.


Freitag, 21. Februar 2025

 21.2., Kizimkazi

Laut meinem gewissenhaften Fact Checker Peter B. beträgt die Mitgift, die ein vermögender Massai aufbringen muss, immerhin 23 Rinder und 10 Schafe, ich solle Ena weiterhin pfleglich behandeln. Das werde ich mit Sicherheit. Ihre Eltern haben sicher keinen Bedarf und unser Kleingarten ernährt höchstens ein paar Meerschweinchen, was soll ich also mit den Viechern. Apropos Meerschweinchen. Die Tierwelt Afrikas ist erbarmungslos. Ameisen so klein, dass sie gar keine mitfühlende Seele haben können, stürmen nachts mein eh schon stark geschrumpftes Fresspaket und dem nicht genug, fladert ein Rabe meinen letzten Eckerlkäse, den ich mir auf der Terrasse fürs Frühstück hergerichtet habe. Nur ein paar Sekunden gehe ich ins Zimmer, der Vogel muss mich geduldig belauert haben. Take thy form from off my door! Quoth the raven,"Nevermore." 

Im Jozani Forest, dem letzten verbliebenen und heute geschützten Waldstück der ansonsten kahlgeschlagenen Insel, hängen ein paar Affen auf Mahagonibäumen ab und viel mehr lässt sich darüber eigentlich nicht sagen. Ein paar hundert Meter vom Haupteingang entfernt schlängelt sich noch ein Steg durch einen sumpfigen Mangrovenwald, auch ganz nett. Ein kleines Buschbaby, zwei Chamäleons, ein paar langnasige Elefantenspitzmäuse und natürlich Schmetterlinge fristen ihr Dasein in zwei mit Netzen verhangenen Verschlägen, die gemeinsam den stolzen Namen Schmetterlingfarm tragen. Denen statten wir auch noch einen Besuch ab und sie sind ebenfalls ganz in der Ordnung, aber der Heuler ist heute nicht dabei. 

Bei den Polizeikontrollen wende ich eine neue Taktik an, steige nicht mehr ab und raunze erfolgreich herum, warum ich schon wieder aufgehalten werde. Man winkt mich weiter, ein Bulle lädt uns sogar zu sich daheim ein. Sicher nicht.

Weitere Erkenntnisse des Tages:

Der Job des dauergutgelaunten Resortmanagers ist kein schöner. Abends muss er jeden Tisch abklappern, smalltalken und sogar abgedroschene Lieder mit den Gästen singen, untertags lächelnd Klospülungen reparieren. Hakuna matata.

Im Urlaub wachsen meine Nägel schneller. Das wahrscheinlich deswegen, weil ich sie nicht durch Arbeit abnütze.


Donnerstag, 20. Februar 2025

 20.2., Kizimkazi

Ein Bursche winkt uns morgens vom Strand, ein Abgesandter des Typen, mit dem wir gestern eigentlich einen Dorfrundgang vereinbart haben. Entweder leidet der Reserveguide an einer kapitalen Augenentzündung oder er ist voll eingekifft. Laut ihm ist der ursprüngliche Vertragspartner mit anderen Touris beschäftigt, der Abgängige selbst schickt mir eine Nachricht, er wäre auf einem kurzfristig anberaumten Begräbnis in Stone Town. Anyway. Der Gesteinigte bringt uns zunächst zur Dorfschule, wo er eine sehr sympathische Englischlehrerin, die monatlich hundertzwanzig Euro verdient, nötigt, uns am Areal herumzuführen. Die Klassenzimmer bestehen nur aus einem Dach und einer niedrigen Balustrade und sind im Rechteck um einen sandigen Innenhof mit einem großen Baum angeordnet. In einem kleinen Häuschen abseits werden noch blinde oder taube Schüler unterrichtet, ein analoges Braillegerät dafür ist vorhanden. Die Bibliothek, das Chemielabor und der Computerraum sind bescheidenst bestückt, für vierhundert Schüler stehen zehn alte Rechner zur Verfügung. Auch ich muss kurzfristig die Schulbank drücken und bin sehr froh, als ich den Unterricht wieder verlassen darf. Zur Pause wird mit einer Stange auf eine Eisenplatte geschlagen, aber Verpflegung für die Schüler gibt es nur im Zeitraum von drei Monaten, wenn während der Klausur zur Vorbereitung auf die abschließenden Prüfungen niemand die Schule verlassen darf. Die Matratzen und Kochtöpfe dafür sind in einer eigenen Kammer verstaut. Drei Monate durchgehend, muss man sich einmal vorstellen.

Nach Entrichtung einer kleinen Spende führt uns der weiche Knabe zur zweiten Sehenswürdigkeit des Dorfes, einem Baobabbaum. Der ist natürlich keine zehntausend Jahre alt, wie vom Bubi nach persönlichem Gutdünken frei erfunden und behauptet, aber trotzdem sehr schön. Und damit ist der Dorfrundgang auch schon beendet, ein Hohn. Es folgt der ebenfalls gestern vereinbarte Kochworkshop und mir schwant Böses. Zunächst soll ich einmal die notwendigen Zutaten dafür einkaufen, warum auch nicht. Was kochen wir denn? Keine Ahnung. Auf Verdacht erstehe ich diverses Gemüse und Reis, dann gehen wir zu einem Haus. Die drei anwesenden Damen wissen sicher nichts von einem Workshop, so viel ist sicher. Eilig wird ein Bett weggeschoben und eine Plane in einer Nische ausgebreitet, dort schnipple ich dann Karotten, Melanzani und Konsorten und Ena schabt mittels einer archaischen, an einem Hocker befestigten Messerkonstruktion eine Kokosnuss aus. Im gewässerten und ausgedrückten Kopra wird dann der vorher handverlesene Reis gekocht und der Rest wandert in einen zweiten Topf. Gewürzt wird das Gemüse mit Kurkuma, Salz und Pfeffer, den einzigen im Haushalt vorhandenen Gewürzen. Was auch immer wir alle später essen, um ein sansibarisches Nationalgericht handelt es sich dabei sicher nicht. Aber das Ergebnis unserer bemühten Improvisation schmeckt ganz wunderbar und das ist die Hauptsache. 

Wir ziehen weiter. Eine glückliche Fügung beschert uns in Kizimkazi eine affengeile Unterkunft inmitten einer gepflegten Anlage mit Pool und sonstigem Schnickschnack. Hier checken wir für die nächsten drei Nächte ein, von hier werden wir fortan ausschwärmen. Von der Freiluftdusche und vom Bett aus sehe ich aufs Meer und hier können wir der Sonne wieder bei ihrem Untergang zusehen.


Mittwoch, 19. Februar 2025

 19.2., Jambiani

Drei Mann Besatzung und ein Tauchguide nur für uns zwei, so soll es sein. Ganz zärtlich steuert der Mann am Außenborder das kleine Boot über das Riff und vermeidet gekonnt ein paar hohe Brecher, die Potential für allerhand Ungemach hätten. Beim Abstieg ist Ena dann in ihrer eigenen Welt. Die Hände wie ein Hamster an den Ohren gleitet sie reglos nach unten und lässt uns andere zwei, die wir sie neugierig umzingeln, nicht teilhaben an ihrem Manöver. Schafft sie den Druckausgleich? Weiß sie überhaupt, dass sie sinkt? Am Grund gesteht sie uns eine knappe Geste zu, alles gut. 

Eine kleine weiße Muräne, die in einer Koralle wohnt, drei Steinfische, die allen Ernstes glauben, sie könnten sich vor uns tarnen. Bunte Nacktschnecken, ein zerfranster, rötlicher Froschfisch, der wirklich aussieht wie ein treibendes Bündel Seegras. Geistermuränen mit weit offenem Maul, gelbe Trompetenfische, Napoleonfische, Pufferfische, flinke Seegurken mit Saugnäpfen, große, violett ausgepolsterte  Mördermuscheln, Anämonen in der Strömung mit ihren symbiotischen Bewohnern. Super Sicht, super Sache heute. Zwischen den zwei Tauchgängen wird wie immer Obst gereicht und wir pinkeln ins Meer. Links hüpfen die Mädchen rein, rechts die Burschen, sagt der Kapitän. Ist natürlich nur Spaß. Hat man sein Geschäft endlich erledigt, Ena schlüpft dazu im Wasser komplett aus ihrem Anzug und anschließend wieder hinein, ist das Boot schon hundert oder mehr Meter entfernt. Die Wellen sind hoch und die Strömung ist stark. 

Erst nachmittags holen wir uns unser inklusives Frühstück ab und plaudern mit dem menschlichen Chamäleon. Latscht man hier auf einen Seeigel, reibt man die betroffene Stelle mit einer unreifen Mango ein. Ein in Asien gängiges chirurgisches Instrument, der Hammer, kommt hier nicht zum Einsatz. Rochen isst er gern, weil die keine Gräten haben, und seine Hütte, in der er auch aufgewachsen ist, steht keine Minute von uns entfernt. Kaum bin ich drei Minuten weg, wird die Holde schon von einem Massai angebaggert, you are pretty, womit er nicht unrecht hat.

Zwei Hände voll Glasscherben sammeln wir während des Strandspazierganges ein, jede Menge Volltrotteln müssen auf diesem Abschnitt unterwegs sein. Dann cruisen wir durchs Dorf und die Straße hoch und weil wir das Best of-Programm laufen haben, kehren wir in der Austrobude Rafikis Chickies ein, ihr erinnert euch.


 18.2., Jambiani

Nur über die asphaltierten Hauptverbindungsstraßen fahren wir nach Süden, damit der Prinzessinnenpopsch nicht zu sehr leiden muss. Dann begeben wir uns auf die leidige Quartiersuche, weil die ursprünglich im Netz auserkorene Hütte keinen Zugang zum Strand hat. Anstrengendes Unterfangen mit dem ganzen Gepäck und den Helmen in der Mittagshitze. Keine Spur auch von Nebensaison, die Unterkünfte sind durchgehend gut gebucht. Ein gemütlicher Substandardbungalow wird´s schließlich in einer kleinen, etwas heruntergekommenen Anlage. Die vorherigen Gäste seien kurzfristig ausgezogen, erzählt einer der zuständigen Insulaner, wegen eines Tieres, das in der Nacht krk krk macht und Holzmehl von der Decke rieseln lässt. Die Zähne und die Augen des Mannes weisen in alle möglichen Richtungen und es ist recht humorig , als er das Viech bei seiner Tätigkeit nachahmt. Das Häufchen Holzmehl am Boden stört uns nicht weiter, aber die Dusche funktioniert nicht. Wie bei einem Tresor muss man auf gut Glück diverse Rädchen nach links und rechts drehen, mal schnell, mal langsam, dazu muss man auf verräterisches Gurgeln in den Leitungen lauschen und sich aufbauenden Druck erkennen. Die Arschbrause neben dem Klo, ein kleiner Duschkopf an einem kurzen Schlauch, hätte guten, zuverlässigen Druck, wird aber von Ena aus ästhetisch-hygienischen Gründen abgelehnt, obwohl sie klein genug dafür wäre. 

Der Rest des Tages verläuft unspektakulär mit Holzschnitzereien kaufen, Bier-Cola trinken, das Tauchequipment für den morgigen Tag zusammenstellen und ähnlichem. Mit lokalen Spezialitäten brauche ich der Süßen gar nicht kommen, Pizza Margherita muss auf den Tisch. Nachts versperrt uns dann die Flut den Weg heim, da nützt es auch nichts mehr, Enas Handtasche mit all unseren Habseligkeiten am Kopf zu tragen. Barfuß müssen wir über das ärmliche, aber recht saubere Dorf und den gerade bespielten Fußballplatz ausweichen. Dem Spielfluss tut das keinen Abbruch. In Gegenrichtung queren gerade seelenruhig ein paar Kühe. Die nackte Glühbirne in unserer Hütte gewährt uns später Einblick in die extremen Schwankungen im Stromnetz. Das Spektrum reicht von Zündholz bis Supernova. 


Montag, 17. Februar 2025

 17.2., Uroa

Hiasi bricht auf in unbekannte Gefilde. Übermorgen wird er dann rüber aufs Festland fliegen und sich ein paar Tage lang The big Five geben. Ena und ich hingegen gehen heute mit Kapitän Abdul segeln. Am Weg zu seinem Auslegerboot kommen uns Männer und Kinder mit etwas in Händen entgegen, das von Weitem das Haupt der Medusa sein könnte. Bei näherer Betrachtung stellen sich die hängenden Knäuel als gebündelte Oktopussis heraus. Auch Muränen nehmen die Fischer gerade aus und säubern sie anschließend im Meer.  

Das traditionelle Dhau, in das wir klettern, hat einen v-förmigen, recht hohen und gleichzeitig schmalen Rumpf, wir schätzen ihn auf sieben, acht Meter Länge. Mit zwei Jahren ist das Boot so gut wie neu bei einer erwarteten Lebensdauer von mindestens zehn Jahren. Abdul hält vorne den hohen Mast in Position, indem er auf einem der Ausleger steht und ihn mit einem Seil seitlich abspannt, hinten sitzt der Steuermann und kümmert sich um das geblähte Segel. Ein dritter Typ hat nichts anderes zu tun, als das Wasser, das stetig hereinsickert, auszuschöpfen. Hart am Winde dran sind wir, na na naana, na na na na na nanaaa, Wickie! Ein paar bunte, stachelige Seesterne taucht man uns hoch, die so hart und reglos sind, dass sie ebenso gut aus Ton sein könnten, ein Lied wird angestimmt, die vier Wendemanöver gehen routiniert vonstatten. Zur Belohnung dafür, dass sie uns kein Unglück gebracht hat, bekommt Ena später ein Eis. Das Warensortiment der Eisdiele ist dabei mehr als ungewöhnlich. Haushaltsreiniger aller Art und Raumsprays stehen ebenfalls zum Verkauf. Dann eine Heimsuchung aus dem Nichts. Zack, habe ich sieben juckende Wimmerl am Hals. Ich bin ratlos. Zum Tagesausklang noch Schnappatmung bei Ena, die Buschbabies sind wirklich Zucker, und morgen sind auch wir dahin.


Sonntag, 16. Februar 2025

 16.2., Uroa

Wo sind die Zeiten hin, als man erst um 12.00 auschecken musste. Gepäck hat die Kleine wirklich nicht viel mit, Hut ab, nur ihre behinderte Handtasche mit Reservehantelgewichten und Tauchblei drin muss sie am Moped zwischen sich und mich stopfen, damit Taschlziager im städtischen Frühverkehr keine Chance haben. 

Während wir gesteinigt die Insel queren, verwandelt sich Ena erwartungsgemäß und zügig in ein Streifenhörnchen. Die Sonne auf Sansibar ist noch viel stärker als ihr Sturschädel. Dann wird mal ordentlich gechilled in der kleinen Anlage, während der Affe über uns herumturnt und wir dem Wasser zusehen, wie es in Windeseile um zweieinhalb Meter steigt. Bei Ebbe kann man über eine Länge von einem Kilometer oder mehr durch Pfützen bis zum Riff draußen wandern, bei Flut schwappen die Wellen schnell über die Mauer des Resorts. Mit Hiasi schwärme ich später aus auf der Suche nach weiteren Zutaten für ein fürstliches Mahl, dann plündern wir das Fresspaket und saufen südafrikanischen und tansanischen Wein dazu. Hiasi trumpft bei der Auswahl der Tropfen mit fundierten Englischkenntnissen auf, yes, when´s the same quality is..., aber der letzte Rote ist so süß, dass einem beim Trinken die Lockenwickler wachsen. Es soll uns nie schlechter gehen. 

Eines bleibt noch zu tun. Als der Mond schon aufgegangen ist, gehen wir hoch zum Verschlag mit dem Billardtisch. Ena muss nach meiner schmählichen Niederlage letzte Woche unsere Ehre retten. Innerhalb von Minuten Full House, an die dreißig Typen schauen nur so, als ihr bester Mann gnadenlos vom Tisch gefetzt wird. Zuvor war schon ein Raunen durch die Menge gegangen, als sie mit steinaltem Gesicht unsere Biere geöffnet hat, eines mit dem anderen. Mein zweiter Karriereweg als Trainer nimmt Fahrt auf. Ena hat alle Profitipps gelehrig angenommen - gut zielen, immer die Weiße zuerst, nicht nervös sein - ohne mich hätte sie es wohl nicht geschafft. 


Samstag, 15. Februar 2025

 15.2., Stone Town

Ena kommt zwar am falschen Terminal an, bringt dafür aber ein vom braven Mäg zusammengestelltes, gigantisches Fresspaket mit. Da ich über keinen Kühlschrank verfüge, inhaliere ich in einem Kraftakt gleich einmal jeweils eine Stange Mett- beziehungsweise Leberwurst mit einer Packung Schnittbrot, gefolgt von Kuchen und Schokolade. Dann muss ich mich für ein paar Stunden hinlegen. 

Abends startet schon die erste Phase der Best of Sansibar-Tour, die ich der Süßen die nächsten zehn Tage angedeihen lassen werde, hat die ein Glück. Wir statten uns mit jeweils einer Mille Spielgeld aus, verlaufen uns im Gassengewirr, kommen dreimal beim gleichen Typen vorbei und tun so, als wäre das Absicht, flüchten vom stinkenden Fischmarkt und schauen uns das Meer und den Nachtmarkt an. Nach einer Kokosnuss schmiere ich abermals erfolgreich den Mann beim Hintertürchen der Festung und wir schunkeln ein bisschen zu Kasiva Mutua aus Kenia und einer Combo aus dem Senegal mit schwitzenden Großmeistern an den Perkussions. Fahnenschwingende Fans mit Trillerpfeifen, tanzende Menschenschlangen, die sich durch die Massen schieben, enthusiasmiertes Publikum auf der Bühne. Noch eine Palatschinke mit Mango und Nutella und die Kleine ist erwartungsgemäß hin und weg, Pulver für heute verschossen.

Die Nacht wird übel, Gelsenattacke! Die Zimmertür ist stark verzogen und zu kurz und im Bad, das nicht mehr ist als eine verflieste Nische, gibt es statt eines Fensters verschnörkselte, kleine Aussparungen ohne Moskitonetz. Alles was ich tun kann ist, alle paar Minuten das Licht aufzudrehen und meinen Frust an den Gelsen auszulassen, die sich zu gierig von mir bedient haben und jetzt vollgesogen und flugunfähig herumhocken. Die Schlanken und Schlauen warten unter dem Bett. Ena meint, ich solle mich beruhigen und schlafen, sie bleibt wie immer gänzlich unbehelligt.


Freitag, 14. Februar 2025

 14.2., Stone Town

Stone Town war einst der zentrale Umschlagplatz des ostafrikanischen Sklavenhandels. In engen Gewölben mussten die aus ihren Dörfern Entführten wochenlang auf ihren Verkauf warten, bevor am Prügelstock noch ihre Widerstandsfähigkeit geprüft wurde, hardcore. Genau an seiner Stelle steht heute der Altar der anglikanischen Kathedrale, die später hier errichtet wurde.  Dass ich eigentlich nur zum Beten hier sei, glaubt mir die Lady mit dem Metalldetektor nicht, auch ich muß die fünf Dollar Eintritt abdrücken. Dann schaue ich mir noch ein paar Plattenbauten aus Zeiten der Kooperation mit der DDR an. Tatsächlich, deutsche Qualitätsarbeit, obwohl der Wasserdruck dem Vernehmen nach nicht bis in die oberen Stockwerke reicht. 

Übersiedeln musste ich auch schon wieder, jetzt wohne ich wieder bei den zwei bärtigen ZZ Top-Figuren. Der eine erzählt mir, er kann mit Schachtelhalmkraut Alzheimer heilen, super Sache. Was macht Stefsechef eigentlich in der steinernen Stadt, wo er doch ebenso gut am Strand liegen und Delphine beobachten könnte? Erstens muss ich morgen früh schon wieder das Öl wechseln lassen und darf bei der Gelegenheit nicht auf den zweiten Helm vergessen, weil nämlich zweitens jemand vom Flughafen abgeholt werden will. Wer kann das sein? Betreuerin und Gespielin, Korrektiv und Mahnerin im Hintergrund. Licht meiner Augen, Antwort auf alle Fragen. Die Blume des Kosovo, the one and only, die Gefährtin trudelt endlich ein.

Gegen Acht schaue ich zum alten Fort. Der Einlass hat begonnen, der Andrang ist überschaubar. Die Kartenpreise für Ausländer sind ganz ordentlich, hundertsiebzig Juros für den Dreitagespass. Strategisch umrunde ich die Festung und entscheide mich für den Ausgang als geeignetsten Ort für einen Bestechungsversuch, aber vorher gehe ich noch auf ein Bier. 

Beim Inder ums Eck hockt auch Christopher, der siebenundsechzigjährige südafrikanische Weinhändler und Pleitier, außerdem ein Einheimischer mit finnischem Führerschein und ein Typ vom Festland, dem ein paar Dala Dalas, also Sammelbusse, gehören. Vierzig Euro bleiben ihm im Schnitt pro Tag pro Bus, was ihn sehr zufrieden macht. Das Zauberwort bei jedem Deal ist Flatrate, auch beim Steuern zahlen. Jedenfalls tremmeln wir uns ein paar Hülsen rein, dann ziehe ich mit dem Bärtigen los und stecke dem Typen am Gitter per Handschlag umgerechnet vier Euro zu, wir wollen nur kurz etwas trinken. Sonst lehnen noch Bullen und Militaristen herum, aber der Ordner nimmt seelenruhig den Schein aus seiner Hand und überprüft ihn noch auf Nominalwert und Zustand, ehe er uns passieren lässt. Na das ging ja einfach! Christopher wachelt noch sinnlos mit seinem sansibarischen Führerschein herum, aber der Käse ist gegessen und wir sind drinnen. 

Geschätzt nicht mehr als siebenhundert Zuschauer haben sich eingefunden, man kann ganz leicht bis ganz nach vor zur Bühne gehen. Irgendwann spielt Assa Matusse aus Mosambique, unterstützt nur von zwei Bassisten und einem Schlagzeuger. Sie trägt ihr Haar wie einen Baum und ist in jeder Hinsicht eine Göttin, ich bin dicht und glücklich. Dann klatscht Etinsel Maloya von der Insel La Reunion ab und weit nach Mitternacht noch irgendwer, an den ich mich nur mehr schemenhaft erinnern kann. Später erwischt mich bei der Nebenbühne ein gewissenhafter Mitarbeiter ohne das obligatorische Band und komplimentiert mich raus. Passt gut, ich wollte eh gerade gehen. Von der letzte Woche abgehobenen Million besitze ich noch fünftausend Schilling und für den Notfall zwei Dollar. Gut, dass Sweety morgen Nachschub mitbringt.


Donnerstag, 13. Februar 2025

 13.2., Stone Town

Jeder hat so seinen Film laufen. Hiasi schreibt mir spät nachts, er wäre beim Einkauf einer eleganten Frau mit besonderen vertikalen Bedürfnissen begegnet. Sie ginge ihm bis zu den Knien und nicht mehr aus dem Kopf. 

Ich bin zurück in der steinernen Stadt. Nicht nur, dass die Hitze kaum auszuhalten ist, liegt noch der unverkennbare Gestank von Durian in der Luft. Erst abends krieche ich unter dem Ventilator meines Zimmers hervor und streune durch das Labyrinth der Altstadt. Der plärrende Muezzin nervt, die Papassis auch. Stechfliegen werden die allgegenwärtigen Keiler in ihren Schlapfen aus Autoreifen treffend genannt. Coldi Beer, cheapi tours to easti coasti. Aus unerfindlichen Gründen hängen die Sansibaris gerne ein I an x-beliebige Wörter, klingt witzig. 

Der Informationsgewinn am Hafen bezüglich einer Überfahrt mit Moped zur Nachbarinsel Pemba in zehn Tagen hält sich in Grenzen. Chaotisches, hektisches Treiben. Menschen, Lastenträger, Haufen von Kartons, Säcken und Gepäck. Die Homepage funktioniert auch nicht, das wird wohl nix. Gehe ich halt ins alte Fort, wo gerade eine Band für ihren Auftritt im Rahmen des Saut za Busara, dem großen Musikfestival, das morgen beginnt, probt. Der Sound, die Musikanten und die Location sind großartig. Eine stimmgewaltige Sängerin, einer bespielt ein bizarres Instrument, das an eine Gitarre mit nach oben hin stark gebogenem Hals erinnert. Die Bühne steht inmitten der gut zehn Meter hohen, beleuchteten Festungsmauern, die Boxentürme neben den runden, bezinnten Festungstürmen. Die Rahmenbedingungen sind gemeingefährlich. Ein Fetzendach über der Technik, Totalausfall bei Regen vorprogrammiert. Besucher inmitten reger Bautätigkeit, diverse Trümmer liegen noch am Gelände verstreut. Ich schätze das Fassungsvermögen auf dreitausend Menschen, die die Festung über eine zweiflügelige Tür und fünf unterschiedlich hohe Stufen betreten werden. Als Ausgang dient eine normale, aber zu niedrige Tür, die nur über eine wackelige Laderampe ohne Geländer zu erreichen ist. Notausgänge gibt es keine. Darf halt nix passieren, inschallah.

Nach intensivster Recherche kann ich euch noch mitteilen, dass gestern gesichteter Wurm nicht irgendein dahergelaufener Wurm war, sondern der größte seiner Art in ganz Afrika. Einen Witz hätte ich auch noch: Warum tragen Tausendfüßler keine Schuhe? Genau.   

Mittwoch, 12. Februar 2025

 12.2,. Selem

Auf nach Stone Town. Ein Lkw mit eingängigem Slogan auf der Windschutzscheibe kommt mir qualmend entgegen, Impossible! lautet sein Motto. Schon im Vorort Bububu ist das Gebot der Stunde, immer in Bewegung zu bleiben. Dreißig km/h sind dabei vollkommen ausreichend. Der Verkehr ist dicht und ab und zu staut es sich. Die wenigen vorhandenen Ampeln werden ignoriert, die Schülerlotsen leben gefährlich. Nur einmal habe ich es ganz zu Beginn der Reise im Zweifel gewagt, bei Rot stehen zu bleiben und wurde sofort zusammengehupt. Wäre ich ein korrupter Polizist, würde ich mich genau hierher stellen und auf Opfer wie mich warten. Von Bububu fuhr übrigens der erste Zug Sansibars und zwar nach Stone Town, weil hier irgendwelche Mineralien abgebaut wurden. Die Ansässigen waren dann infantil genug, ihre Stadt nach dem eigentümlichen Geräusch, das die Lok von sich gab, zu benennen, Bububu halt. Dieser Halffunfact ist gleichzeitig  auch schon das Interessanteste, was dieses lärmige Kaff zu bieten hat. 

Meine Unterkunft der ersten Stunde, das Zava House, hat ab morgen zumindest ein Zimmer für eine Nacht frei. Das größte Musikfestival des Jahres findet dieses Wochenende statt und eine volle Stadt ist zu erwarten. Aus meiner Jause wird nix. Leider hat der Fressverschlag gegenüber für immer geschlossen, schade. Am Weg zurück aufs Land besuche ich ein paar mickrige persische Paläste aus vergangenen Zeiten. Vom Maruhubi Palace sind nur mehr wuchtige Säulen eines ehemaligen Aquädukts, ein paar Außenpools und Bäder in einem Nebengebäude erhalten, der Mann am Schalter gibt mir der Einfachheit halber gleich den Schlüssel dafür mit. Ich möge mich selbst umsehen.  Drinnen warten verflieste, quadratische Pools, Sitzgelegenheiten für Viele und die Ahnung einstiger Grandezza. Von der runden Decke hängen ein paar Fledermäuse ab. Der Mann am Einlass zum nächsten Palast lässt nicht mit sich handeln, für zwölftausend Schilling würde sich das doch gar nicht lohnen. Er strebt mittelfristig einer Karriere in der Politik an, wo er dann ordentlich abkassieren möchte. Das und mehr erfahre ich, als ich mit ihm, einem Typen, der auch dort hockt und Installateur ist, und einer Frau, der ich zuvor einen kleinen Fisch abgekauft hatte, meine Proviant- Samosas teile. Das letzte herrschaftliche Domizil des Tages sehe ich mir nur von außen an. Nicht weit vom Ufer dümpeln ein paar verrostete Militärboote, hier ankert scheinbar die bescheidene sansibarische Marine. Ein ausladender Mangobaum lädt zu einer schattigen Pause fernab des Trubels auf der Straße ein. Was es denn im Inneren des Palastes zu sehen gäbe? A funny chair of the Sultan, schwärmt die Torwächterin. Man muss im Leben nicht alles gesehen haben, aber Tiere gehen immer. Ich kann heute einen daumendicken schwarzen Tausendfüßler mit dreißig Zentimetern Länge verbuchen, Hiasi am anderen Ende der Insel gewinnt mit einem Hammerhai. Wow! Allerdings hat der schon bessere Tage gesehen, war tot auf einem Moped unterwegs und roch schon streng.


Dienstag, 11. Februar 2025

 11.2., Selem

Drei Pärchen und ein Typ im Resort, allesamt Deutsche und Teil einer Kleininvestorengruppe, die hier Land kaufen möchten. Der Schmäh rennt, hahaha. Einer erzählt, er wäre von den Bullen um dreißig Dollar erleichtert worden, er konnte sie von fünfundsiebzig runterhandeln. Er hätte gar keine Tafel mit einer 30 km/h- Beschränkung bemerkt, auf die die Wegelagerer als Grund für ihre Amtshandlung verwiesen hätten... 

Noch einmal mache ich mich auf in den Nordwesten. Soldaten mit vorsintflutlichen Gewehren marschieren in ärgster Hitze an der Hauptstraße. Mehr Fuhrwerke als sonst sind unterwegs, wobei keine Pferde, sondern Esel oder Stiere vorgespannt sind. Auch andere kulturelle Unterschiede sind erkennbar. In dieser Gegend sitzen die Menschen nicht mehr auf kaputten Kühlschränken, sondern auf halb vergrabenen Reifen. Auch die Bananen sind größer, tatsächlich sind sie gewaltig. Wäre ich ein Fischer, würde ich sagen, die Teile haben locker die Dimension meines Unterarmes und ich glaube nicht, dass ich eine Staude von ihnen hochheben könnte. Ich decke mich noch mit Avocados und Mangos ein, ehe ich die Küstensiedlung Mkokotoni erreiche. Hier gammeln völlig unbeachtet historische Gebäude vor sich hin. Eine Art mehrstöckiges Fort weist schon zahlreiche alarmierende Risse und große Löcher auf und könnte meiner Meinung nach jede Minute einstürzen, was die Menschen, die rundum in ihren Hütten leben und arbeiten, wohl nicht so sehen oder notgedrungen in Kauf nehmen. Beim Hafen, eigentlich bloß einem bewachten und mit einem Tor gesicherten Pier, stehen andere heruntergekommene Gebäude, deren Architektur überhaupt nicht ins Stadtbild passt, und rundum liegen noch kleine Kanonen, die auch kein Schwein interessieren. Berge von großen Säcken voll mit Holzkohle werden gerade auf ein Schiff verladen, das wohl eine kleine vorgelagerte Insel damit anfahren wird. Als ein übermotivierter Tropenscheriff wild gestikulierend auf mich zugelaufen kommt, fahre ich weiter. Scheinbar glaubt er allen Ernstes, dass dieser Minimundushafen geopolitisch irgendeine Relevanz hat und ich hier Werksspionage betreibe. Kurz vor Fuckuchani fahre ich abermals an die Küste und bin entzückt von den unberührten Traumstränden  traditionellen Fischerbooten. Auf einem Fußballplatz flicken gerade Männer das größte von mir bis dato gesehene Netz. Dann spricht mich ein Bubi an, alle sagen Kobemaster? zu ihm und ich schätze ihn auf Vierzehn. Gegen kleines Salär wird er mir die hiesigen Sehenswürdigkeiten zeigen. Wir starten mit einer sehr kleinen, mit Brackwasser gefluteten Höhle. Irgendein sehr mutiger Mensch hat die Verbindung von ihr zum Meer durchtaucht, ich schätze die Distanz auf mindestens sechshundert Meter. Der nächste Halt zwingt mich zu einer schwierigen Entscheidung. Soll ich später in einer kommerzialisierten Auffangstation einen Geparden um hundertsechzig Dollar streicheln oder hier in einem kleinen Garten ein Chamäleon um zwei? So lässig sind die Tierchen. Etwas kleiner als meine Hand, gelb, grün oder braun, wippen sie mit abgewinkeltem Vorderast außerirdisch herum, machen seltsame Sachen mit ihren Augen und krallen sich ganz schön fest in meine Haut. 

Ums Eck hat erst vor zwölf Jahren ein Bauer eine Höhle entdeckt, die ist auch ganz interessant. Es gibt einen kleinen Eingang und vielleicht zweihundert Meter weiter einen Ausgang auf gleicher Höhe, der wie bei einer Nahtoderfahrung winzig in der Entfernung strahlt. Dazwischen eine Art stockfinsterer Schlauch mit schönen, oft ganz fragilen und glitzernden Gesteinsformationen und ein paar Fledermäusen. In die nächste, gleich angrenzende Höhle darf ich nicht. Zu viel Hitze, zu wenig Sauerstoff. Der Rest der Tour ist dann nicht mehr so spannend. Das Grab eines Typen, der angeblich drei Meter groß war und ein Fell hatte, ist eher ein Scherz und meine Frage nach einer Seegrasverarbeitungsanlage missversteht Kobemaster. Er bringt Seaweed und Weed durcheinander und glaubt, ich suche etwas zum Kiffen. Einen Maiskolben mit Zitrone gebe ich ihm noch aus, dann setze ich den Nachwuchsguide bei ihm daheim ab. Vorher wurden wir schon auf ein Stück Kassava eingeladen, das auch roh gar nicht schlecht schmeckt. 

Unterhalb der Homebase streune ich abends noch durch die Mangroven und bewundere Krebse jeder Größe. Am kleinen Strand geht vor mir die Sonne unter und im Rücken steht der fast volle Mond schon hoch und leuchtet mir den Weg heim.


Montag, 10. Februar 2025

 10.2., Uroa

An die Mentalität der Insulaner kann ich mich nur schwer gewöhnen.  

-Kaufe ich zum Beispiel Mangos, läuft die Verkäuferin über die Straße und dann davon, verschwindet für Minuten und kommt endlich wieder, in Händen genau die zwei kleinen Plastiksackerl, die ich für mein Obst benötige. Beim nächsten Kunden wird sie wieder loslaufen und sich wohl nix dabei denken. Plastiksackerl und benzinbetriebene Motorsägen sind übrigens verboten in Sansibar, aber das ist eine andere Geschichte.

- Schon am Nachmittag lassen Hiasi und ich unseren Kellner Jackson vorsorglich wissen, dass wir gedenken, abends ein paar Biere zu trinken. Schon die zweite Runde ist dann nicht mehr kalt, er hat nur zwei Flascherl eingekühlt.

- Ich bestelle ein Gemüsecurry und bekomme eines ausschließlich mit Melanzani. Oben an der Straße gibt es Paradeiser, Paprika, Karotten, Kraut und Kürbis und als ich mich beschwere, lächelt mich Jackson nur an. Ob ihn das ihn völlig kalt lässt oder ob er sich überhaupt irgendetwas dabei denkt, kann ich nicht sagen.

- Eine Frau verrechnet mir beim ersten Einkauf das Doppelte des gängigen Preises und kann partout nicht verstehen, warum ich sie fortan ignoriere und mir mein Zeug halt wo anders besorge.

Anyway, einmal noch raffe ich mich auf, packe meinen Ranzen und breche auf gen Nordwesten, dem letzten verbliebenen Eck Sansibars, wo ich bislang noch nicht war. Vorbei an Kinyasini, Mahonda Mkataleni und Mangapwani fahre ich hoch nach Makoba, immer auf der Suche nach irgendeiner Unterkunft. Zuckerrohrplantagen, Frauen bei der Feldarbeit und immer wieder Horden von Schülern auf der Straße. Über erwähnte Ortschaften war im Vorfeld eigentlich nichts mehr in Erfahrung zu bringen oder besser gesagt gibt es wohl nichts, was man über sie hätte berichten können, und am Ende der Landzunge fahre ich in ein winziges Dorf ein, schlängle mich an Hütten vorbei, ducke mich unter Wäscheleinen durch, störe Frauen beim Kochen, stehe quasi im Wohnzimmer der Dorfgemeinschaft wie ein Japaner, der bei einem daheim anläutet und fragt, ob er hier eh richtig wäre in Schönbrunn. Alle schauen blöd und das zu Recht und ich schaue, dass ich weiterkomme. Sperrgebiet. This area belongs to the army! It is strictly forbidden to carry out any touristic activities by order! An einem Verschlag mache ich Pause und esse ein trockenes Chapati mit süßem Ingwertee, mehr gibt es nicht. Auch keine Palmölmargarine zum drauf schmieren oder eine Tomate oder sonst irgendetwas. Fünf Leute und ein paar Katzen schauen mir in der verranzten Hütte zu, wie ich mein lediges Brot kaue. 

Nachmittags quartiere ich mich im ersten Resort, das mir unterkommt, ein. Die Bude verfügt über einen Privatstrand, von dem ein kleiner mangrovenbestandener Bach ins Landesinnere führt, eine Bar, wo sehr große Schildkrötenpanzer an den Wänden hängen, und einen Pool. Nach härtesten Verhandlungen beziehe ich für fünfunddreißig Dollar einen kleinen Bungalow ohne viel Schnickschnack, aber ein Moskitonetz und einen Ventilator hat er. Zuerst hüpfe ich ins Meer, dann in den Pool, dann noch ein bisschen die Umgebung abcruisen. Am Nachbargrundstück steht eine Saufhütte mit vollfetten, dubiosen Insulanern, einer schreit "Welcome, welcome!", und versperrt mir mit trüben Augen und ausgestreckten Armen den Rückweg. Schnell ein Bogerl schlagen und nichts wie weg und für heute reicht´s dann auch schon wieder.


Sonntag, 9. Februar 2025

 9.2., Uroa

Heute mache ich nix, ich schwöre. Vom Dorf hole ich mir ein paar Mangos, Wasser und kleine würzige Erdäpfelteigkugeln das Stück um vier Cent, die mich leider noch länger in Atem halten werden, dann hau ich mich auf eine der Liegen unter einer schönen Pinie und schaue aufs Meer. Ein modriges Buch von Jürgen von der Lippe habe ich im Literaturregal gefunden. Folgende Protagonisten stören meine Kreise:

- Der Affe von gestern. Weder die verschiedenen Blumen, die wir ihm auf einem Stock drapiert anbieten, interessieren ihn, noch die kleine Banane, die wir ihm in den Baum hochwerfen. Eigentlich ist ihm nur fad im Schädel und er will spielen, aus unerfindlichen Gründen ist er allein und nicht wie üblich in der Gruppe.

- Ein junger Massai, der plaudern/schnorren möchte. Sein Vater am Festland hat vierhundert Kühe, zwölf Frauen und über vierzig Kinder, er achtundzwanzig, zwei und eines. Fisch und Hendl isst er auf keinen Fall, nur Rind, Ziege und Schaf. Wenn es sich einrichten lässt, trinkt er morgens eine Mischung aus Blut und Milch. Drei Monate mindestens müssen vergehen, ehe die Kuh erneut angezapft werden darf. 

- Passanten am Strand. Einer trägt seine Harpune und einen großen Oktopus, dessen Tentakel fast im Sand schleifen, zwei tragen gemeinsam ein Bettgestell. Kinder spielen mit allem, das sich auftreiben lässt.

Übersiedeln in billigeren Wohnraum muss ich auch noch und ein bisschen Wäsche waschen und als die Temperaturen erträglicher werden, gehe ich den Strand entlang bis zum italienischen Resti. Unserem Kellner Jackson musste ich gestern mitteilen, dass ich nie wieder im resorteigenen Restaurant essen werde, Näheres dazu morgen. Großer Auflauf jedenfalls einen Kilometer weiter, rund fünfzig Massai tanzen im Kreis, springen und schreien, ein großes Spektakel. Warum das Ganze, weiß ich nicht, aber die Sache wirkt recht authentisch. Hiasi kommt mit dem Moped, mit dem wir zu später Stunde under the influence heimfahren, ich schicksalsergeben ohne Schuhe am Sozius. Alles geht gut.


 8.2., Uroa und der ganze Norden

Heute wird es Zeit für den nördlichsten Punkt der Insel, ich packe mein Zeug und mache mich auf nach Nungwi, dem Epizentrum des hiesigen Tourismus. Die Strände entlang der Ostküste sind zwar ein Traum, aber kein Dorf kann sich durch welche Besonderheiten auch immer von den anderen abheben. Schnorcheln ist entgegen anderslautender Berichte nirgends eine Option und in den Lehmhütten rund um die von hohen Mauern umgebenen Resorts gibt es für Muzungus auch nichts zu holen. Es geht gut dahin. Den ersten vier Polizeikontrollen entkomme ich, mit ein bisschen Small Talk ziehe ich mich bei der fünften aus der Affäre. Beim Queren nach Westen verfahre ich mich schließlich und lande auf einer breiten, aber völlig kaputten und einsamen Piste. Nur ein schmaler Sandstreifen seitlich ist so einigermaßen befahrbar und das Moped rennt das erste mal heiß. Zehn Kilometer oder eine Stunde später erreiche ich endlich die einzige asphaltierte, nordwärts führende Straße. Eine Tafel schmückt den sogleich angesteuerten Zuckerrohrsaftstand, Love and peace, the Kingo lives forever. Um wen es sich denn handle beim Kingo? Na um Haile Selassie natürlich, dem ehemaligen Kaiser Äthiopiens und Gott der Rastafaris. An der Straße werden auch windschiefe Bettgestelle und Regale aus naturgewachsenen, notdürftig mit Kokosseil zusammengebundenen Ästen verkauft. 

Viele der als Tourist Attraction ausgeschilderten Ruinen im etwas derb klingenden Fuckuchani unterscheiden sich von den üblichen verlassenen und teilweise schon eingestürzten Hütten der Siedlung eigentlich nur insofern, als dass jemand ein Wellblechdach darüber gebaut hat. Auch eine Höhle gäbe es, in der ich schwimmen und mich abkühlen könnte, aber mit meiner ganzen Habe am Moped muss ich passen. 

Je weiter nördlich ich komme, desto seltsamer wird es. Ein künstliches Massaidorf, wo man ein Dinner mit Feuerwerk buchen kann?, angekündigte Vollmondpartys, mindestens siebzig weiße Großraumtaxis an einem besonders gehypten Strandabschnitt. Schon im Vorort Kendwa tummeln sich sehr viele Touristen. Hier bauen direkt am Strand unter ein paar gespannten Planen Männer mit einfachsten Mitteln Holzboote. Man möchte meinen, dass manche der mitunter ganz schön großen Schiffe, die mit Stangen gestützt im Sand der kleinen Bucht stehen und wohl auf ihre Reparatur warten, bereits am Ende ihrer Lebenszeit angelangt sind, aber was weiß man schon.   

Ganz übel wird es dann in Nungwi. Viel zu viel von allem. Eine plan-, und reizlose, laute Ansammlung von allem, was ein aus den Fugen geratenes, pseudourbanes  Touristenzentrum ausmacht. Eine Bar verfügt über ein hier wirklich angebrachtes Stress Reduction Device. Bang your head here for stress relief, steht auf einem an der Wand befestigten Zettel. Kwaheri, tschüss, schnell weg. Auf Höhe des Flughafens quere ich zurück nach Osten, wo ich ewig lange versuche, einen Weg nach Süden zu finden. Über lange Strecken watschle ich in Schrittgeschwindigkeit mit dem Moped mit, nachdem das Fahren im Gelände irgendwann unmöglich geworden ist, und abermals rennen wir beide heiß. Hier ist nichts und niemand. Wenn der Vermieter wüsste, was ich seinem Moped zumute, würde er mich verwünschen. Als die Sonne schon tief steht und nach vielen leeren Kilometern muss ich mir eingestehen, dass eine Nordostsüdpassage auf Sansibar nicht möglich ist. Und jetzt wohin mit mir? Am besten wieder zurück nach Uroa, da war es schön. Ein weiter Weg, aber bin ich froh, als ich wieder da bin. Hiasi und die anderen können sich nur wundern. Leider ist nur mehr ein Zimmer frei, das mit Abstand luxuriöseste im ersten Stock mit großem Balkon direkt aufs Meer. Richtig gut sieht sie heute wieder aus in ihrem gelben Kleid, lasse ich die Chefin wissen, und sie erbarmt sich und rückt mit einem lächerlichen Fünfdollaraufschlag die Schlüssel dafür raus. 


Freitag, 7. Februar 2025

 7.2., Uroa

Am Wegesrand ein so stark verrostetes Schild, dass nichts mehr darauf entziffert werden kann, und später im Wald ein Wegweiser im Dreck, Visitor Center. Verfallene Nebengebäude und ein zugewachsener Weg zeugen von früherer Betriebsamkeit. Auch auf Sansibar gibt es einige nichtssagende Höhlen und diese hier wurde scheinbar wieder ihrem Schicksal überlassen, aufgegeben und verlassen, nachdem man sie dereinst aufwendig für die Öffentlichkeit erschlossen hatte. Ein Betonweg mit Geländer führt ins stockfinstere Innere. Dem folge ich eine Zeit lang und leuchte ein bisschen mit meinem Handy herum, dann mache ich kehrt. Alles ganz schön spooky. Gerade als ich mich aufs Moped schwinge, materialisiert sich ein Typ mit Bauhelm aus dem Unterholz und hätte gerne 10.000 Schilling von mir, frech. Hätte er im Gegenzug ein Ticket für mich? Nein. Dann nicht, tschau. 

An der Straße freut sich später eine Katze einen Haxen aus über den von mir gespendeten Fischkopf. Abgemagerte Artgenossen habe ich schon mit Zwieback oder Reis gefüttert und niemals wurde etwas verschmäht. Zurück im Resort lässt sich sogar einer der seltenen Stummelaffen blicken. Er turnt und springt affenartig vor uns herum, klettert einen Fahnenmast rauf und runter und ist ganz schön cool dabei, obwohl er nur ein Hirn in Erdnussgröße besitzt. Mit einer Banane ist er nicht zu locken, weil er keinen Zucker verdauen kann, er hält sich lieber an junge Blätter und Blumen. Erwischt er doch einmal etwas Falsches, kuriert es sich mit einem Stück Kohle, genau wie ich.

Und zack, ist es schon Abend. Gestern habe ich einem Einheimischen in einem Anfall von Größenwahn vollmundig erklärt, ich würde ausnahmslos jeden, der es wagt, gegen mich anzutreten, vom Billardtisch fetzen, der Showdown startet ab halb Sieben. Mit Hiasi als Coach und einem italienischen Pärchen, das die Pressefotos schießen wird, finde ich mich im Sportverschlag ein. Reges Interesse, schwitzende Anstrengung. Nach einer Stunde trolle ich mich, von zwei Dahergelaufenen geschlagen und gedemütigt, wieder heim. Morgen werde ich abreisen, hier kann ich mich nicht mehr blicken lassen.


Donnerstag, 6. Februar 2025

 6.2., zurück nach Uroa

Ein verwilderter südafrikanischer Weinhändler und ein ausgemergelter älterer Holländer, der sonst in Goa wohnt und sich schon morgens sechzigprozentigen Strohrum in seinen Kaffee leert, sitzen mit nacktem Oberkörper im kleinen Garten meiner Unterkunft, gemeinsam sehen sie aus wie ZZ Top für Arme. Eine Dame aus Wales hat sich noch eingefunden und mir gegenüber sitzt ein Mädchen aus Kenia in Tracht. Noch ein paar Samosas und Wasser für den Weg eingekauft, dann quere ich mit Hiasi die Insel von West nach Ost. Den Telekommunikationsknochen habe ich mit den notwendigsten Programmen gepimpt, trotzdem verfahren wir uns in scharfkantigstes Gelände. Einen Sickerpatschen vorne habe ich schon, Luft nachfüllen kostet vierzig Cent und der Service ist nicht überall zu bekommen. Ein schmieriger Bulle leiert mir wegen nix vier Euro raus, Hiasi verliert sein Handy in der Botanik, einmal springt sein Moped nicht mehr an, Lastwägen stauben uns ein. Eine Kokosnuss leeren wir noch, schon erreichen wir die Ostküste und dort das Kaure Beach Inn, wo ich freudig mein altes Zimmer beziehe. Leider spinnt jetzt der Laptop, das hier schreibe ich schon zum zweiten mal. 

Torjubel brandet auf, als ich später an der Straße Reis mit Bohnen esse, irgendein Hundskick wird übertragen. Auch die, die das Spiel gar nicht mitverfolgen, freuen sich einen Haxen aus, dazu noch ein Hupkonzert der vorbei fahrenden Autos. Übrigens! Kürzlich wurde von einem zwölfköpfigen Forscherteam in Cern wissenschaftlich nachgewiesen, dass Fußball tatsächlich zu den langweiligsten Sportarten zählt, die man sich ansehen kann, überboten nur von der neuen Trendsportart dieser Tage, Hobby Horsing. Anyway. Sitze ich später so am Strand und fröne der Digestion, wird alsbald wie üblich ein Insulaner vorstellig. Picasso sei sein Künstlername, er hätte einen Shop. Sicher nicht. Was noch? Er könne uns Buschbabys zeigen, Aufbruch in fünfzehn Minuten. Sechs Euro pro, ok, let´s go. Mit den Rollern schwärmen wir aus, er bei mir am Sozius. Nach zehn Minuten biegen wir ein ins Unterholz, wo sich die extraherzigen Galagos, kleine Feuchtnasenaffen, vorsichtig aus den Baumwipfeln nach unten wagen, weil sie dort mit kleinsten Bananenstückchen angelockt werden. Große Augen, dünne Finger, süß. Später essen auch Hiasi und ich Bananen, allerdings Kochbananen in Kokossauce, gar nicht übel. Der größte Teil der ohnehin schon recht überschaubaren vegetarischen Auswahl in der Anlage war nicht verfügbar, wie der Kellner Hiasi zuvor mit angstgeweiteten Augen gestehen musste. Er durfte weiter leben, wir hatten einen schönen Tag. 


Mittwoch, 5. Februar 2025

 5.2., nach Stonetown

Spoileralarm. Ich kenne nur sehr wenige Menschen, die so wie ich das Potential zum absoluten Sautrottel in sich bergen. Auch bei mir handelt es sich erfreulicherweise um keinen Dauerzustand, aber ich habe meine Phasen. Heute ist so ein Tag. Vormittags breche ich von der Ostküste auf nach Stonetown, um den Hiasi zu treffen, eigentlich ein leichtes Unterfangen. Zwei Hauptstraßen, einmal rechts abbiegen, Ankunft. Allerdings, mein Navi schlägt mir eine verwegenere Route über Nebenstraßen vor und da sage ich nicht nein. Kurz nachdem ich den schnöden Asphalt gegen unverfälschten Flur getauscht habe, tut sich vor mir raumfordernd eine imposante und undurchschaubar trübe Wasserlacke auf, sie erstreckt sich gute dreißig Meter über den gesamten befahrbaren Weg. Na gut, was soll sein, sage ich mir und tauche zügig ein in die braune Suppe. Stoße ich mit dem Vorderrad auch schon gegen ein unsichtbares Hindernis, vielleicht einen Felsbrocken oder so. Den Lenker verdreht es nach links, ich stütze mich notgedrungen mit dem Fuß ab, während das Moped ebenfalls nach links kippt. Nicht genug, um zu stürzen, aber jedenfalls ausreichend, um den Rucksack, der kurz davor noch zwischen meinen Knien lag, ins Wasser zu befördern. Da ist meine gesamte Habe drin, Bücher, Kleidung, Medizin, der Laptop, Akkus, Kabel, alles. So, was tun. Absteigen, irgendwie das Moped an die Hüfte lehnen und gleichzeitig den Rucksack rausfischen und vorläufig ohne Rücksicht auf Verluste ins nächste trockene Gebüsch schleudern. Aber halt, das war ja noch etwas. Oben auf der Tasche lag mein Telefon, wegen dem Navi. Ich taste auf gut Glück den Grund ab und finde das Teil auch, eine Minute lang läuft sogar noch alles und ich gebe mich trügerischer Hoffnung hin, dann beginnt der Bildschirm zu flackern und dann Game over. Irgendwie zerre ich das Moped an Land und ziehe mir die nassen Socken und  Schuhe aus, möchte gar nicht in den triefenden Rucksack schauen und schlage mich die nächste Stunde orientierungslos nach Stonetown durch, wo ich mir fast wahllos ein Quartier suche, um mich erst einmal notdürftig zu fangen. Nach mehrmaligem, unfreiwilligem Abstieg mit ungeschützter Sohle auf felsigem Terrain bin ich zuvor wieder in die nassen, grauslichen Schuhe geschlüpft, um mein Unglück nicht noch durch sinnlose Verletzungen zu vergrößern. Alles stinkt, alles ist feucht, aber der Lapi funktioniert noch. Das Handy trage ich zügig in einen Reparaturshop am Bazar, Exitus. Prozessor und Display unrettbar hinüber. Obwohl oder gerade weil der Spezialist den internen Stromfluss anstatt mit einem Spannungsmesser mittels seiner Zunge misst, muss ich ihm glauben. Sonst hat er auch noch ein paar gute Tricks auf Lager, tauscht Teile, biegt und umgeht das System, aber es ist nix zu machen. Alle Daten, Fotos, Passwörter, Programme verloren und keine Cloud als Plan B. Das neu gekaufte Handy ist zumindest heute ebenfalls nutzlos, weil ohne die dafür notwendigen Passwörter nicht aufzusetzen. Dazwischen treffe ich Hiasi, der nach fast zwei Wochen des Dahinsiechens wieder so einigermaßen genesen ist, helfe ihm bei der Suche nach einem fahrbaren Untersatz und lasse bei meinem Roller das Öl wechseln, wobei ebenfalls sehr viel schief geht. Bleibt nur mehr, auf Überlebensmodus zu schalten und mich abends mit Bier zu betäuben, dazu gibt´s trockenes Byriani und wässrige Linsensuppe. Was für ein Scheißtag.


Dienstag, 4. Februar 2025

 4.2, Uroa

So schön ist es hier. Ein zweistöckiger, kühler Unterstand mit Muschelketten am Meer und ein paar Bäume in roter Blütenpracht, unter denen man sich´s auf einer Liege gemütlich machen kann. In einem dieser Bäume leben Vögel, die Spatzen ähneln, aber knallgelb sind. Ihre Nester sind kugelrund und so groß wie Grapefruits. Aber ein kleiner Ausflug die Küste entlang geht immer. Paläste hinter Stachel-, oder Stromdraht stehen neben einfachen Hütten. Eine ganze Insel dient als exklusives Resort, Nichtgästen ist der Zutritt verboten. Wie immer hohe Mauern zum Strand hin und Wellblechzäune dort, wo gerade mehrstöckige Hotels entstehen. Viel mehr als schlecht bezahlte Jobs sind dann für die Locals nicht in Sicht, dafür dürfen sie nicht mehr fischen und mit der Beschaulichkeit ist es auch vorbei. Ein Wunder eigentlich, wie freundlich einem die Einheimischen angesichts dieses Kapitalimperialismus noch immer begegnen. 

Die Männer, die bei Ebbe Löcher graben, verbuddeln dort übrigens für einige Monate leere Kokosnüsse, um deren Fasern für die Produktion von Seilen mürbe zu machen, die Info war ich noch schuldig. Am Ende meiner Reise lasse ich mich noch zu einem Stück Fisch in klarer Suppe mit Reis und höchstwahrscheinlich spinatähnlichem Amaranth dazu nieder. Schmeckt wieder sehr gut, aber die Fliegen sind zahlreich und frech.

Nachmittags nimmt der Wind richtig Fahrt auf und die einheimischen Kitesurfer fetzen dahin, heben sechs, sieben Meter hoch ab und springen dabei über Boote. Zwei Männer sitzen im Schatten des Strandes und deuten mir, ich solle mich zu ihnen gesellen. Der eine ist Taxler, der andere besitzt einen kleinen Wald für Bauholz und hat zwei Frauen. Strikt alle zwei Tage wechselt er den Haushalt ohne jegliche Flexibilität, auch bei Streit kann er sich nicht einfach so absetzen. Eigentlich hätte ihm eine gereicht, aber um Nachwuchs zu bekommen, musste er ein zweites mal heiraten. 

Der heutige Tag steht im Zeichen der kulturellen Aneignung. Zunächst kaufe ich einer von vielen glatzköpfigen Frauen ein Armband mit der tansanischen Flagge ab und dem nicht genug später einem ohnehin schon vollständig assimilierten Massai seine Keule. Sehr seiner Ehre beraubt kommt er mir nicht vor, eher sehr zufrieden. Er wird einen seiner Homies vom Festland anrufen, der bringt ihm dann einen neuen Pracker mit, sagt er. Andersrum geht´s aber auch. Drei Billardtische an der Hauptstraße gehören  scheinbar zur Grundausstattung eines sansibarischen Dorfes. Eigentlich will ich nur zusehen, aber ein Massai in roter Tracht, mit üblicher Bewaffnung und mit weißen Schienbeinschützern lädt mich herzlich zu ein paar Partien ein. Neben seinem traditionellen Outfit trägt der doch tatsächlich ein Baseballkapperl, ich bin empört.


Montag, 3. Februar 2025

 3.2., Uroa

Hinten anstellen ist in Sansibar unbekannt. Genügt es in Asien oft, anstatt seiner selbst nur die Schlapfen in einer Reihe zu platzieren, regiert hier die Unverschämtheit. Was er denn glaube, was ich hier wohl täte, frage ich den Drängler an der Tanke, nachdem ich leichtsinnigerweise zwei Meter Abstand zum Vordermann freigelassen hatte. Ah so, na klar! No problem, hakuna matata! Sonst auch. Mit bewundernswerter Chuzpe marschiert man regelmäßig zumindest an mir vorbei und tut verblüfft bei Einspruch. 

Tut mir der Hintern weh. Fleckerlteppichstraßen mit Geschwindigkeitsbegrenzungsschwellern so hoch, dass ich regelmäßig mit der Mopette aufsitze. Feldwege gespickt mit blankem Fels und die Hose durchgeschwitzt. Bei Bwejuu biege ich ab auf unbefestigtes Gelände und die Gegend wird richtig schön. Auf lauschigen Feldwegen nähere ich mich der Südseite der Chwakabucht und erwarte mir unerforschtes Land, als sich auf einmal aus dem Nichts eine völlig sinnlose und in meinem Navi auch noch unbekannte Bundesstraße vor mir auftut. Hier und im Umkreis von vielen Kilometern wohnt eigentlich so gut wie niemand und die meisten Verkehrspartner die nächsten Stunden sind Frauen zu Fuß mit Brennholz auf ihren Köpfen oder verirrte Kühe. Verläuft die nagelneue Straße mit Pannenstreifen selten aber doch durch kleine Dörfer, schlängelt sie sich durch Hüttenansammlungen aus Korallenbrocken oder Lehm, was sehr seltsam anmutet. Irgendwann steht dann eine Tafel neben der Fahrbahn, End of Road, und wer die übersieht, stirbt. Die Straße endet so sinnlos, wie sie begonnen hat, und zwar sofort. Man donnert dann gegen einen Felsen oder stürzt ins Meer. An einem dieser Enden steht eine Frau mit einem langen Speer mit Widerhaken, hinter ihr ein Mangrovenwald. Sie brabbelt Unergründliches, ich drehe um und wir wundern uns beide. Später tut sich endlose Ebene auf, wo Frauen Getreide von Hand oder mit Dreschflegeln aus den Pflanzen schlagen, dann sehe ich zwei Burschen ein Moped durch die flirrende Hitze schieben. Generös helfe ich mit meiner taktischen Spritreserve und Wasser aus. 

Chwaka ist ein entzückendes Dorf mit allem, was dazu gehört, am kleinen Markt versteigern die Fischer gerade ihren überschaubaren Fang und mein Hirsebampf mit Bohnen schmeckt gut, aber Zimmer gibt es keine. Das gleiche in Marumbi, aber in Uroa komme ich endlich in einem recht abgeranzten, aber sympathischen Resort unter. Aus dem ersten Zimmer muss ich wieder ausziehen, weil es keinen Schlüssel dafür gibt, im zweiten ist das Häusl verstopft, worum ich mich selbst kümmere. Der Kellner marschiert bei jedem bestellten Bier los, um es erst einmal einzukaufen. Wie viele ich denn heute noch zu drinken gedenke? Until I´m drunk. Das Abendbrot nehme ich auswärts zu mir, nachdem ich zufällig gesehen habe, wie ein Angestellter sich in der Küche mit einem Kochlöffel aus einem Topf bedient hat. Ich meine, das mache ich ja auch so, aber mich und meine Krankheiten kenne ich wenigstens. 

Oben an der Straße ist immer etwas los, sobald die Sonne untergegangen ist und die Temperaturen erträglicher werden. Das ist nur relativ zu verstehen, um vier Uhr morgens hat´s noch immer siebenundzwanzig Grad und kühler als das wird´s nicht. Jedenfalls, einen Maiskolben als Vorspeise, anschließend vom fliegenden Händler ein Stück Fisch mit Kassava und dazu scharfe Pilipili-Sauce. Wann gibt´s endlich Senene, frittierte Heuschrecken, oder Kumbikumbi, geröstete Termiten?


Sonntag, 2. Februar 2025

 2.2., Jambiani

Um 6.00 läutet der Wecker und das am Sonntag. Zeit, am Meer meine am Weg erstandenen Germlaberl zu essen, habe ich später aber genug, die Burschen sind noch am Zusammenpacken. Das Vorweisen eines Befähigungsnachweises oder das Ausfüllen eines Haftungsausschlusses ist nicht vonnöten. Pole, pole, langsam, langsam. Jo eh, im Bett wär´s auch noch schön gewesen

Wolkenverhangener Himmel und hoher Wellengang, ein kleines Boot ohne Flaschenhalterungen oder Leiter. Beim ersten Abstieg tauchen wir ein in eine magische Ansammlung von linsengroßen Baby-Quallen, man nennt sie Portugiesische Galeeren, men of war oder auch floating terror. Der Nachwuchs ist scheinbar noch harmlos, sie funkeln in der Düsternis wie Irrlichter in strahlendem Violett. Dann grundeln wir herum und sehen Seesterne so groß und flauschig wie Kopfpölster, kleine Muränen, einen gepunkteten Rochen, einen Boxfisch und ein paar von denen, die wie blaue Seehunde aussehen. Lange vor der Zeit treibt es den zweiten Taucher nach oben, weil er zu wenig Blei dabei hat, was zum Anlass genommen wird, den Tauchgang gleich zu beenden. Oben speibt sich der Kollege später an, weil das Boot sehr stark schaukelt, und man beeilt sich, ihn wieder unter Wasser zu bekommen, dort sei es ruhiger. Muss der jetzt die ganze Zeit seinen eigenen Kotzmuru einatmen, würg. Das Wasser mittlerweile eher so wie Griessuppe, die Sichtweite beträgt vielleicht fünf Meter. Einen perfekt getarnten Steinfisch entdecke ich noch und einen Feuerfisch, die andernorts schon zur großen Plage geworden sind, auch Trompetenfische, Krabben und Schnecken, aber besonders viele Korallen oder Anemonen gibt es nicht. 

Zurück surfen wir richtiggehend mit dem Schiffanakel auf den großen Wellen, die unterwegs zur Küste sind, das ist geil. Der Mann am Außenborder gibt dabei zärtlich genau so viel Gas, dass wir immer oben am Kamm mit schwimmen. 

Noch vor Mittag bin ich wieder zurück, was nun? Das örtliche Angebot scheint bald ausgereizt, abgesehen von einer Dorfführung oder einem Kochkurs, sollte jemals einer zustande kommen. Massieren könnte ich mich auch noch lassen oder die Wäsche waschen, aber dazu muss ich nicht in Jambiani bleiben. Eigentlich könnte man es in dieser Ecke ganz gut auch ohne Programm aushalten, wenn man ein bisschen gechillter wäre. Strandbars locken mit kaltem Bier und Sonnenliegen am Puderzuckerstrand, dessen Sand man gleich in Eieruhren umfüllen könnte. Zusätzlich würde ich zwecks Entschleunigung an meinem Valeur Brandy nuckeln. Eigentlich handelt es sich bei diesem fragwürdigen Getränk um verdünnten Alkohol mit Farbstoffen, Aromen und Melasse, aber wen juckt´s, solange man nicht erblindet. Auch die Terrasse meiner Unterkunft ist super gemütlich. Bei Ebbe zieht sich das Meer davor zwei Kilometer zurück, aber bei Flut könnte ich von hier direkt ins Wasser  waten und würde mir so den Klogang ersparen. Einfach herumgammeln und ein Buch lesen.

Und genau das mache ich dann ein paar Stunden lang, aber gleich morgen früh bin ich dahin.


Samstag, 1. Februar 2025

 1.2., Jambiani

Tatsächlich, der Pensi namens Ian weiß zu erzählen. Er ist Meeresbiologe und emeritierter Professor an diversen Universitäten, wuchs in Tansania auf, kennt den ehemaligen Premier und dreht Filme. Ich latsche heute den Strand vier Kilometer in die andere Richtung ab, dort gibt´s eine vielversprechende Tauchbude. Unterwegs ein Freiluft-Gym mit einer großen Auswahl an kurzen und langen Hanteln, alle aus einem Stück Holz geschnitzt. Auch die Kinder sind einfallsreich. Vier Schraubverschlüsse von Wasserflaschen auf ein Tetrapackerl montiert, noch eine Schnur zum Hinterherziehen daran befestigt und fertig ist der Strandbuggy. 

Kleine Mädchen tragen noch kleinere Mädchen, Frauen balancieren alles mögliche auf ihren Köpfen. Männer graben große Löcher ins seichte Wasser, den Zweck muss ich noch herausfinden. Noch zum Frisör und den Bart stutzen lassen, damit es morgen nicht ständig in die Maske sickert, dann zur Apotheke. Ein paar staubige, eingedrückte Packungen links, Kosmetika und ähnlicher Schnickschnack rechts komplettieren die Auswahl. Meine Aspros könnte ich auch einzeln kaufen, dafür kosten sie mehr als daheim, sind für den Durchschnittsinsulaner also richtig teuer.

Abends fahre ich noch ein Stückchen nach Norden. Im Kitesurfmekka Paje drängt es sich ganz gewaltig,  etwas weiter nördlich plantschen nur mehr ein paar einheimische Frauen im Wasser und niemand ist mehr zu sehen am endlosen Strand. Vor der Bucht rund um Michamwi herrscht der große Ausverkauf. Nur mehr hohe Mauern und Zäune rund um weitläufige Baustellen. Im Prinzip wurde hier die gesamte Küste an Privatinvestoren verkauft. Sicherheitspersonal hindert mich regelmäßig an der Weiterfahrt, die eh schon schwierig genug ist. Zwischen den Mauern bleibt oft nur mehr ein schmaler Streifen frei, wo ich schon mit den Seitenspiegeln meiner Mopette schleife. Ein Scherge des pervertierten Kapitalismus bedeutet mir an solch enger Stelle, ich möge mich umgehend in Luft auflösen, hat der doch tatsächlich vier Pferde mit Touris drauf im Schlepp. Den könnte man gut in Wien gebrauchen, für die Kavallerie des Entwurmten. Ich zerre die Mopette rückwärts durch tiefen Sand, die Pferde werden schließlich an mir vorbei zum Gaudium der Reiter direkt ins brusthohe Meer geführt. Mein Fischcurry später ist gut, aber noch ausbaufähig. Vom Fisch fehlt Entscheidendes, nämlich der Teil zwischen Kopf und Flosse.