Sonntag, 9. Februar 2025

 8.2., Uroa und der ganze Norden

Heute wird es Zeit für den nördlichsten Punkt der Insel, ich packe mein Zeug und mache mich auf nach Nungwi, dem Epizentrum des hiesigen Tourismus. Die Strände entlang der Ostküste sind zwar ein Traum, aber kein Dorf kann sich durch welche Besonderheiten auch immer von den anderen abheben. Schnorcheln ist entgegen anderslautender Berichte nirgends eine Option und in den Lehmhütten rund um die von hohen Mauern umgebenen Resorts gibt es für Muzungus auch nichts zu holen. Es geht gut dahin. Den ersten vier Polizeikontrollen entkomme ich, mit ein bisschen Small Talk ziehe ich mich bei der fünften aus der Affäre. Beim Queren nach Westen verfahre ich mich schließlich und lande auf einer breiten, aber völlig kaputten und einsamen Piste. Nur ein schmaler Sandstreifen seitlich ist so einigermaßen befahrbar und das Moped rennt das erste mal heiß. Zehn Kilometer oder eine Stunde später erreiche ich endlich die einzige asphaltierte, nordwärts führende Straße. Eine Tafel schmückt den sogleich angesteuerten Zuckerrohrsaftstand, Love and peace, the Kingo lives forever. Um wen es sich denn handle beim Kingo? Na um Haile Selassie natürlich, dem ehemaligen Kaiser Äthiopiens und Gott der Rastafaris. An der Straße werden auch windschiefe Bettgestelle und Regale aus naturgewachsenen, notdürftig mit Kokosseil zusammengebundenen Ästen verkauft. 

Viele der als Tourist Attraction ausgeschilderten Ruinen im etwas derb klingenden Fuckuchani unterscheiden sich von den üblichen verlassenen und teilweise schon eingestürzten Hütten der Siedlung eigentlich nur insofern, als dass jemand ein Wellblechdach darüber gebaut hat. Auch eine Höhle gäbe es, in der ich schwimmen und mich abkühlen könnte, aber mit meiner ganzen Habe am Moped muss ich passen. 

Je weiter nördlich ich komme, desto seltsamer wird es. Ein künstliches Massaidorf, wo man ein Dinner mit Feuerwerk buchen kann?, angekündigte Vollmondpartys, mindestens siebzig weiße Großraumtaxis an einem besonders gehypten Strandabschnitt. Schon im Vorort Kendwa tummeln sich sehr viele Touristen. Hier bauen direkt am Strand unter ein paar gespannten Planen Männer mit einfachsten Mitteln Holzboote. Man möchte meinen, dass manche der mitunter ganz schön großen Schiffe, die mit Stangen gestützt im Sand der kleinen Bucht stehen und wohl auf ihre Reparatur warten, bereits am Ende ihrer Lebenszeit angelangt sind, aber was weiß man schon.   

Ganz übel wird es dann in Nungwi. Viel zu viel von allem. Eine plan-, und reizlose, laute Ansammlung von allem, was ein aus den Fugen geratenes, pseudourbanes  Touristenzentrum ausmacht. Eine Bar verfügt über ein hier wirklich angebrachtes Stress Reduction Device. Bang your head here for stress relief, steht auf einem an der Wand befestigten Zettel. Kwaheri, tschüss, schnell weg. Auf Höhe des Flughafens quere ich zurück nach Osten, wo ich ewig lange versuche, einen Weg nach Süden zu finden. Über lange Strecken watschle ich in Schrittgeschwindigkeit mit dem Moped mit, nachdem das Fahren im Gelände irgendwann unmöglich geworden ist, und abermals rennen wir beide heiß. Hier ist nichts und niemand. Wenn der Vermieter wüsste, was ich seinem Moped zumute, würde er mich verwünschen. Als die Sonne schon tief steht und nach vielen leeren Kilometern muss ich mir eingestehen, dass eine Nordostsüdpassage auf Sansibar nicht möglich ist. Und jetzt wohin mit mir? Am besten wieder zurück nach Uroa, da war es schön. Ein weiter Weg, aber bin ich froh, als ich wieder da bin. Hiasi und die anderen können sich nur wundern. Leider ist nur mehr ein Zimmer frei, das mit Abstand luxuriöseste im ersten Stock mit großem Balkon direkt aufs Meer. Richtig gut sieht sie heute wieder aus in ihrem gelben Kleid, lasse ich die Chefin wissen, und sie erbarmt sich und rückt mit einem lächerlichen Fünfdollaraufschlag die Schlüssel dafür raus. 


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