11.2., Selem
Drei Pärchen und ein Typ im Resort, allesamt Deutsche und Teil einer Kleininvestorengruppe, die hier Land kaufen möchten. Der Schmäh rennt, hahaha. Einer erzählt, er wäre von den Bullen um dreißig Dollar erleichtert worden, er konnte sie von fünfundsiebzig runterhandeln. Er hätte gar keine Tafel mit einer 30 km/h- Beschränkung bemerkt, auf die die Wegelagerer als Grund für ihre Amtshandlung verwiesen hätten...
Noch einmal mache ich mich auf in den Nordwesten. Soldaten mit vorsintflutlichen Gewehren marschieren in ärgster Hitze an der Hauptstraße. Mehr Fuhrwerke als sonst sind unterwegs, wobei keine Pferde, sondern Esel oder Stiere vorgespannt sind. Auch andere kulturelle Unterschiede sind erkennbar. In dieser Gegend sitzen die Menschen nicht mehr auf kaputten Kühlschränken, sondern auf halb vergrabenen Reifen. Auch die Bananen sind größer, tatsächlich sind sie gewaltig. Wäre ich ein Fischer, würde ich sagen, die Teile haben locker die Dimension meines Unterarmes und ich glaube nicht, dass ich eine Staude von ihnen hochheben könnte. Ich decke mich noch mit Avocados und Mangos ein, ehe ich die Küstensiedlung Mkokotoni erreiche. Hier gammeln völlig unbeachtet historische Gebäude vor sich hin. Eine Art mehrstöckiges Fort weist schon zahlreiche alarmierende Risse und große Löcher auf und könnte meiner Meinung nach jede Minute einstürzen, was die Menschen, die rundum in ihren Hütten leben und arbeiten, wohl nicht so sehen oder notgedrungen in Kauf nehmen. Beim Hafen, eigentlich bloß einem bewachten und mit einem Tor gesicherten Pier, stehen andere heruntergekommene Gebäude, deren Architektur überhaupt nicht ins Stadtbild passt, und rundum liegen noch kleine Kanonen, die auch kein Schwein interessieren. Berge von großen Säcken voll mit Holzkohle werden gerade auf ein Schiff verladen, das wohl eine kleine vorgelagerte Insel damit anfahren wird. Als ein übermotivierter Tropenscheriff wild gestikulierend auf mich zugelaufen kommt, fahre ich weiter. Scheinbar glaubt er allen Ernstes, dass dieser Minimundushafen geopolitisch irgendeine Relevanz hat und ich hier Werksspionage betreibe. Kurz vor Fuckuchani fahre ich abermals an die Küste und bin entzückt von den unberührten Traumstränden traditionellen Fischerbooten. Auf einem Fußballplatz flicken gerade Männer das größte von mir bis dato gesehene Netz. Dann spricht mich ein Bubi an, alle sagen Kobemaster? zu ihm und ich schätze ihn auf Vierzehn. Gegen kleines Salär wird er mir die hiesigen Sehenswürdigkeiten zeigen. Wir starten mit einer sehr kleinen, mit Brackwasser gefluteten Höhle. Irgendein sehr mutiger Mensch hat die Verbindung von ihr zum Meer durchtaucht, ich schätze die Distanz auf mindestens sechshundert Meter. Der nächste Halt zwingt mich zu einer schwierigen Entscheidung. Soll ich später in einer kommerzialisierten Auffangstation einen Geparden um hundertsechzig Dollar streicheln oder hier in einem kleinen Garten ein Chamäleon um zwei? So lässig sind die Tierchen. Etwas kleiner als meine Hand, gelb, grün oder braun, wippen sie mit abgewinkeltem Vorderast außerirdisch herum, machen seltsame Sachen mit ihren Augen und krallen sich ganz schön fest in meine Haut.
Ums Eck hat erst vor zwölf Jahren ein Bauer eine Höhle entdeckt, die ist auch ganz interessant. Es gibt einen kleinen Eingang und vielleicht zweihundert Meter weiter einen Ausgang auf gleicher Höhe, der wie bei einer Nahtoderfahrung winzig in der Entfernung strahlt. Dazwischen eine Art stockfinsterer Schlauch mit schönen, oft ganz fragilen und glitzernden Gesteinsformationen und ein paar Fledermäusen. In die nächste, gleich angrenzende Höhle darf ich nicht. Zu viel Hitze, zu wenig Sauerstoff. Der Rest der Tour ist dann nicht mehr so spannend. Das Grab eines Typen, der angeblich drei Meter groß war und ein Fell hatte, ist eher ein Scherz und meine Frage nach einer Seegrasverarbeitungsanlage missversteht Kobemaster. Er bringt Seaweed und Weed durcheinander und glaubt, ich suche etwas zum Kiffen. Einen Maiskolben mit Zitrone gebe ich ihm noch aus, dann setze ich den Nachwuchsguide bei ihm daheim ab. Vorher wurden wir schon auf ein Stück Kassava eingeladen, das auch roh gar nicht schlecht schmeckt.
Unterhalb der Homebase streune ich abends noch durch die Mangroven und bewundere Krebse jeder Größe. Am kleinen Strand geht vor mir die Sonne unter und im Rücken steht der fast volle Mond schon hoch und leuchtet mir den Weg heim.
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