Montag, 7. Dezember 2015



7.12., Havanna
Mein Vermieter setzt sich zum Frühstück dazu und spielt ein paar Lieder auf seiner Gitarre, dann zeigt er mir das Flachdach, auf dem er eine Terrasse einrichten will. Da hat er noch viel vor. Schon der klaustrophobische Aufgang ist wie ein Bergwerksstollen dauerprovisorisch mit Holzbalken verstrebt. Oben ein Gewirr aus Strom- und Wasserleitungen und große Wassertanks. Der Ausblick erinnert mich an Delhi.
Ich besuche das Museo de la Revolucion, untergebracht im ehemaligen Präsidentenpalast. Von hier aus regierte einst Batista, hinter einem sehr schönen Schreibtisch mit der üblichen Fahne und den üblichen Füllfederhaltern. Daneben liegt der Versammlungsraum der Minister mit einem sehr schönen Klo, das ich aus Gründen des Denkmalschutzes nicht benützen darf. Ich hätte es schon nicht kaputt gemacht, mein Stoffwechsel unterscheidet sich  sicher nicht wahnsinnig von dem eines prähistorischen Ministers. Viel Propaganda, vereitelte oder gelungene Anschläge, Revolutionen und Konterrevolutionen.  Hinter dem Palast ist neben Landrovern und Jeeps, Panzern und Flugzeugen auch die achtzehn Meter lange Jacht Grandma, mit der Castro und einundachtzig weitere Revolutionäre mit umstürzlerischen Absichten 1956 von Mexico nach Kuba übergesetzt haben, ausgestellt. Die Yacht ist ja ganz schön, aber zweiundachtzig Typen? Sieben Tage hat die Überfahrt gedauert und bei der Landung wurde die Partie gleich von Batistas Armee aufgerieben. Nur zwölf Männer konnten entkommen, die Revolution fand mit etwas Verspätung trotzdem statt. 1958 marschierten Fidel und Che ungehindert in Havanna ein und Batista buchte sich einen längeren Urlaub auf der Domrep. Hochinteressant das alles, aber für hier viel zu umfassend.
Weiter im Osten stehen dann die gewaltigen Festungen. Nachdem Havanna im sechzehnten Jahrhundert mehrmals von französischen Piraten geplündert worden war, ließen sich die Spanier nicht lumpen und errichteten zunächst die zwei größten Festungen Amerikas ihrer Zeit. Ein Weilchen war dann einmal Ruhe, bis die Briten quasi von hinten kamen, ordentlich aufmischten und Havanna nach elfmonatiger Besatzung gegen Florida eintauschten. Seltsam, aber so steht es geschrieben. Die Spanier bauten also noch eine Festung, was Havanna damals zur am besten befestigten Stadt der Welt machte. Diese ganzen Anlagen sind bis heute erhalten und warten auf meine Erforschung, das wird aber erst in den nächsten Tagen passieren. Inzwischen streife ich die Altstadt und schlendere über den Plaza de Armas, dem ältesten Platz Havannas, der schon um 1520 angelegt wurde. Meerseitig steht eine Burg wie aus dem Bilderbuch mit schrägen Mauern und in Kleeblattform, einem unüberwindlichen Wassergraben und Hängebrücken darüber. Noch weiter östlich, vorbei an Klöstern und Kirchen dann der Hafen mit seinen alten Piers und vergammelten Lagerhallen. In einer von ihnen ist ein Markt mit Plunder untergebracht, wo ich mich mit einer Kokosnuss mit einem Schuss Zitrone und Rum stärke. So findet sich noch Kraft für das längste erhaltene Teilstück der alten Stadtmauer, die die mittlerweile scheinbar paranoid gewordenen Spanier im siebzehnten Jahrhundert auch noch gebaut haben. Eineinhalb Meter dick, zehn Meter hoch, mit elf schwer bewachten Toren. Dann reicht´s aber für heute. Später beim Frisör, den ich schon dringend notwendig hätte, eine Themenverfehlung des weiblichen Personals. Statt mir die Haare zu schneiden, führt mich eine Dame kurzerhand in ein Zimmer mit Bett. Der Frisör sei gerade nicht da, wir könnten uns aber derweilen anderweitig vergnügen. Ob sie mir nicht schnell die Maschine geben könnte, ich würde mir die Haare auch selbst schneiden? Ihre Maschine hätte sie immer dabei, sagt sie und deutet auf einschlägige Körperpartien. Ich flüchte. Ein Wahnsinn. Schon gestern wollte sich eine überschminkte Tante mit eindeutigen Absichten Zutritt zu meinen Gemächern verschaffen und nur das massive Gitter vor meiner Tür konnte sie daran hindern. Ich fürchte um meine Unschuld.

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