15.12.,
Vinales
Für
kubanische Verhältnisse befinden wir uns in hochalpinem Gelände, in der Nacht
war´s richtig kalt. Schon früh machen wir uns auf zum einzigen staatlichen
Mopedverleiher der Stadt, der schon ausverkauft ist, bevor er noch offiziell
aufsperren konnte. Die fünf Roller vor der Tür seien alle kaputt und den
letzten funktionierenden hätte er soeben vermietet. Die nächste Retournierung
erwarte er in vier Tagen. Bis dahin wird er ausgiebig in der Nase bohren. Zwei
Kilometer außerhalb von Vinalesbei einer abgeschiedeneren Dependance fassen wir
doch noch einen Scooter aus, Modell Strache. Böse Erinnerungen kommen hoch. Jaja,
da hätten sie die letzten Monate wohl eine schlechte Lieferung Antriebsriemen
dabei gehabt, versucht er, meine Bedenken zu zerstreuen, aber dieses Modell sei
ansonsten hundertprozentig zuverlässig. Soll sein, es gibt ohnehin keine
Alternative. Vinales wird uns die nächsten Tage nämlich nicht nur als
Luftkurort sondern hauptsächlich als strategische Homebase für die Erforschung
des gesamten Nordwestens dienen. Von hier werden wir sternförmig ausschwärmen
und später verlegen wir unser Nest nach Pinar del Rio weiter unten und machen
das gleiche mit dem Südwesten. Wenn die Mopette dann den Geist aufgibt, ist der
Weg zurück nicht weit. Der Verleihtyp geht´s ganz ruhig an. Eine Zeile vom
Vertrag ausfüllen, etwas politisieren. Austria, da käme ja der Schwarzenegger
her! Hat den Hispanos in Kalifornien vor der Wahl alles versprochen und dann
nichts davon gehalten! Die Amis sollen überhaupt alle daheim bleiben. In Kuba
gäbe es freie Bildung, kostenloses Gesundheitswesen, keine Drogen, kein
Verbrechen. Jeder könne hier bei jedem zu jeder Zeit anläuten und niemand würde
sich fürchten, die Amis könnten ihm allesamt gestohlen bleiben. Naja, sagen wir
mal, fast kein Verbrechen in Kuba. Mir wird heute noch jemand eine billige
Farbkopie eines Geldscheines anzudrehen versuchen. Er selbst notiert sich die
Seriennummern der großen Scheine, mit denen ich die Miete bezahle und lässt
mich für jede einzelne Banknote unterschreiben. So weiß die Staatsgewalt, an
wem sie sich schadlos halten kann, sollten
sie sich bei späterer Prüfung als Fälschung herausstellen. Sehr interessant,
was der Hoschi sonst noch alles zu erzählen hat. Über die goldenen 80er Jahre
und über die trostlose Zeit der sogenannten „Sonderperiode in Friedenszeiten“ nach
dem Untergang der Sowjetunion Anfang der 90er. Ohne deren Unterstützung
schrumpfte die kubanische Wirtschaft quasi über Nacht um mehr als die Hälfte
und Fidel beschloss ein drastisches Maßnahmenpaket mit Kürzungen und Rationierungen. In den
folgenden drei Jahren hat der durchschnittliche Kubaner ein Drittel seines
Körpergewichtes verloren und viel ist an denen oft nicht dran.
Nach
den Formalitäten zeigt uns der Typ noch seinen Lieblingsort ein paar hundert
Meter von seinem Büro entfernt, die drei in den Hang gebauten Terrassen eines
Wirten mit bombastischem Ausblick auf ein weitläufiges Tal mit Tabakplantagen,
Weiden, Dörfern und Kegelbergen aus Kalkstein.
Beim
Bäcker später bekomme ich für die dreißig Cent, die ich der dicken Frau mit
Schürze hinhalte, sieben kubanische Luftsemmeln, allerdings ohne Sackerl dazu.
Die sind Mangelware und werden von den Kunden immer selbst mitgebracht. Ena
jongliert sie am Sozius beidhändig heim und mit gepacktem Picknickkorb starten
wir durch. Die angepriesene Lagune mit Wasserfall stellt sich als bessere
Brunzlacke in einem Hang unter einer Betonbrücke heraus, das ist noch nicht so
prickelnd. Beim Frühstück dort sind wir rasch von räudigen Hunden, einer
einäugigen Katze und ein paar Franzosen umzingelt. Weiter über sehr schlechte
Pisten fahren wir zu einer Höhle, in der um 1920 irgendwelche superprimitiven
Malereien der Ureinwohner gefunden wurden, Strichmännchen, Spiralen, so was auf
die Art. Künstlerisch wertlos. Durch die Höhle fließt ein unterirdischer Fluss,
den befahren wir mit einem Motorboot. Nächster Stopp ein paar Kilometer weiter
das Mural de la Prehistoria, ein 120 Meter hohes Gemälde an einer Felswand. Vor
knapp 50 Jahren haben sich hier ein paar Künstler ausgetobt und riesige
psychedelische Schnecken, Saurier und Meeresungeheuer in Signalfarben auf den
Felsen gepinselt, sehr dubios. Von dort queren wir ein abgeschiedenes Tal über
eine Lehmpiste, wo uns ins Joch gespannte Büffel und Cowboys auf ihren etwas
verkümmerten Pferden entgegenkommen. Einen See gibt’s auch noch. Dort finden
wir einen Regenbogen, zwei Schildkrötenpanzer und zwei israelische
Pensionisten, die vom Kibbuz ihrer Jugend erzählen. Jedes Mitglied der Kommune
hat damals einen Teil der anfallenden Arbeit übernommen, in den Läden hat es
alle notwendigen Waren, auch Zigaretten, zur freien Entnahme gegeben.
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