Freitag, 18. Dezember 2015



15.12., Vinales
Für kubanische Verhältnisse befinden wir uns in hochalpinem Gelände, in der Nacht war´s richtig kalt. Schon früh machen wir uns auf zum einzigen staatlichen Mopedverleiher der Stadt, der schon ausverkauft ist, bevor er noch offiziell aufsperren konnte. Die fünf Roller vor der Tür seien alle kaputt und den letzten funktionierenden hätte er soeben vermietet. Die nächste Retournierung erwarte er in vier Tagen. Bis dahin wird er ausgiebig in der Nase bohren. Zwei Kilometer außerhalb von Vinalesbei einer abgeschiedeneren Dependance fassen wir doch noch einen Scooter aus, Modell Strache. Böse Erinnerungen kommen hoch. Jaja, da hätten sie die letzten Monate wohl eine schlechte Lieferung Antriebsriemen dabei gehabt, versucht er, meine Bedenken zu zerstreuen, aber dieses Modell sei ansonsten hundertprozentig zuverlässig. Soll sein, es gibt ohnehin keine Alternative. Vinales wird uns die nächsten Tage nämlich nicht nur als Luftkurort sondern hauptsächlich als strategische Homebase für die Erforschung des gesamten Nordwestens dienen. Von hier werden wir sternförmig ausschwärmen und später verlegen wir unser Nest nach Pinar del Rio weiter unten und machen das gleiche mit dem Südwesten. Wenn die Mopette dann den Geist aufgibt, ist der Weg zurück nicht weit. Der Verleihtyp geht´s ganz ruhig an. Eine Zeile vom Vertrag ausfüllen, etwas politisieren. Austria, da käme ja der Schwarzenegger her! Hat den Hispanos in Kalifornien vor der Wahl alles versprochen und dann nichts davon gehalten! Die Amis sollen überhaupt alle daheim bleiben. In Kuba gäbe es freie Bildung, kostenloses Gesundheitswesen, keine Drogen, kein Verbrechen. Jeder könne hier bei jedem zu jeder Zeit anläuten und niemand würde sich fürchten, die Amis könnten ihm allesamt gestohlen bleiben. Naja, sagen wir mal, fast kein Verbrechen in Kuba. Mir wird heute noch jemand eine billige Farbkopie eines Geldscheines anzudrehen versuchen. Er selbst notiert sich die Seriennummern der großen Scheine, mit denen ich die Miete bezahle und lässt mich für jede einzelne Banknote unterschreiben. So weiß die Staatsgewalt, an wem sie sich schadlos halten kann,  sollten sie sich bei späterer Prüfung als Fälschung herausstellen. Sehr interessant, was der Hoschi sonst noch alles zu erzählen hat. Über die goldenen 80er Jahre und über die trostlose Zeit der sogenannten „Sonderperiode in Friedenszeiten“ nach dem Untergang der Sowjetunion Anfang der 90er. Ohne deren Unterstützung schrumpfte die kubanische Wirtschaft quasi über Nacht um mehr als die Hälfte und Fidel beschloss ein drastisches Maßnahmenpaket  mit Kürzungen und Rationierungen. In den folgenden drei Jahren hat der durchschnittliche Kubaner ein Drittel seines Körpergewichtes verloren und viel ist an denen oft nicht dran.
Nach den Formalitäten zeigt uns der Typ noch seinen Lieblingsort ein paar hundert Meter von seinem Büro entfernt, die drei in den Hang gebauten Terrassen eines Wirten mit bombastischem Ausblick auf ein weitläufiges Tal mit Tabakplantagen, Weiden, Dörfern und Kegelbergen aus Kalkstein.
Beim Bäcker später bekomme ich für die dreißig Cent, die ich der dicken Frau mit Schürze hinhalte, sieben kubanische Luftsemmeln, allerdings ohne Sackerl dazu. Die sind Mangelware und werden von den Kunden immer selbst mitgebracht. Ena jongliert sie am Sozius beidhändig heim und mit gepacktem Picknickkorb starten wir durch. Die angepriesene Lagune mit Wasserfall stellt sich als bessere Brunzlacke in einem Hang unter einer Betonbrücke heraus, das ist noch nicht so prickelnd. Beim Frühstück dort sind wir rasch von räudigen Hunden, einer einäugigen Katze und ein paar Franzosen umzingelt. Weiter über sehr schlechte Pisten fahren wir zu einer Höhle, in der um 1920 irgendwelche superprimitiven Malereien der Ureinwohner gefunden wurden, Strichmännchen, Spiralen, so was auf die Art. Künstlerisch wertlos. Durch die Höhle fließt ein unterirdischer Fluss, den befahren wir mit einem Motorboot. Nächster Stopp ein paar Kilometer weiter das Mural de la Prehistoria, ein 120 Meter hohes Gemälde an einer Felswand. Vor knapp 50 Jahren haben sich hier ein paar Künstler ausgetobt und riesige psychedelische Schnecken, Saurier und Meeresungeheuer in Signalfarben auf den Felsen gepinselt, sehr dubios. Von dort queren wir ein abgeschiedenes Tal über eine Lehmpiste, wo uns ins Joch gespannte Büffel und Cowboys auf ihren etwas verkümmerten Pferden entgegenkommen. Einen See gibt’s auch noch. Dort finden wir einen Regenbogen, zwei Schildkrötenpanzer und zwei israelische Pensionisten, die vom Kibbuz ihrer Jugend erzählen. Jedes Mitglied der Kommune hat damals einen Teil der anfallenden Arbeit übernommen, in den Läden hat es alle notwendigen Waren, auch Zigaretten, zur freien Entnahme gegeben.

Keine Kommentare: