Freitag, 4. Dezember 2015



3.12., Santa Lucia
Bei einer Eierspeis mit Baked Beans, die streng genommen Kichererbsen sind, erzählt mir der Schweizer von den wichtigsten Erkenntnissen, die er im Laufe seiner dreizehn Aufenthalte und der Beziehung zur Mutter seines Sohnes mit eigenwilligem Namen Eusebio gewinnen konnte, vom ärmlichen Dorf, in dem ihre Familie und somit gelegentlich auch er leben muss, vom hohen Stellenwert sinnloser Statussymbole und davon, wie der Kubaner generell so tickt. Als er den älteren Kellner fragt, ob die hundertzehn Euro, die er seiner Freundin monatlich an Alimenten überweist, nicht ausreichend wären, sie beschwere sich regelmäßig, setzt sich der dazu und erzählt von seiner Misere. Er verdiene in diesem Hotel theoretisch zwölf Dollar im Monat. Theoretisch deshalb, weil es die letzten Monate überhaupt kein Gehalt gab, es sei kein Geld da gewesen. Was auch immer das heißen soll. Er und alle anderen schaffen so viele Lebensmittel wie möglich auf die Seite und wenn jemand Kleidung oder Ähnliches vergisst, verkaufen sie das Zeug. Seine Frau schneidet nebenbei Haare und so kämen sie und die Kinder irgendwie über die Runden. Monatlich hundertzehn Euro seien in Kuba ein Vermögen. Der Kellner spricht leidlich deutsch. Er hat ein paar Jahre in der DDR gearbeitet und ist damals zurück in die Heimat gekommen mit der Hoffnung, dass sich die Dinge zum Guten wenden würden. Jetzt ist er voller Verbitterung und wünscht das System zum Teufel.
Am nördlichsten Zipfel von Santa Lucia liegt der sichelförmige Strand Playa los Cocos, den muss man scheinbar gesehen haben. Die Straße die Küste entlang endet nach ein paar Kilometern im Nichts. Sie wurde kürzlich von einem Hurrikan zerstört, erzählt mir später ein Dorfbewohner. Eine Kolonie Flamingos scheuche ich auf, die sich in der Lagune, in der die Straße jetzt endet, niedergelassen hat. Als die Vögel auf der Flucht ihre Flügel öffnen, leuchtet ihr Gefieder nicht nur rosa, sondern leuchtend rot. Wie gesagt, ich probiere ein paar andere Wege aus und einer endet in einem Dorf, wo mir der wie immer äußerst freundliche Dorfheini die Umleitung zum Strand und dem dortigen Dorf verrät. Ein elendslanger Umweg auf einer Schotterpiste vorbei an Salzebenen im Hinterland zwar, aber der Strand ist die Mühen wert. Feinster Sand, das Wasser schillert in allen erdenklichen Grüntönen. Neben schönen Muscheln wurden an einer Stelle auch haufenweise Knochen eines ziemlich großen Tieres angeschwemmt, viele von ihnen gleichen sich und sind in Form und Größe vergleichbar mit der Kinderversion eines Kricketschlägers. Am Weg zurück ein kurzes Schleifen und Krachen und ich weiß ganz genau, was passiert ist. Well played, Strache. Am von Varadero aus gesehen östlichsten Punkt meiner Reise, einige Kilometer vom Hotel entfernt in menschenleerer Ödnis bei sengender Mittagshitze fulminant einzugehen und den Dienst zu verweigern ist in seiner Hinterfotzigkeit nicht mehr zu überbieten. Strache! Wenn ich könnte wie ich wollte, ich würde dich hier und jetzt anzünden, ich schwöre. Ich bin fassungslos. Wieso ist der Riemen schon wieder kaputt, das darf doch einfach nicht wahr sein. Ich schiebe und schiebe und schiebe, bis ich endlich halb durchgegart meine Homebase erreiche. Zuerst trinke ich eineinhalb Liter Wasser mehr oder weniger auf ex, dann noch eine Flasche in aller Ruhe. Nachdem ich mich körperlich, aber vor allem seelisch wieder so einigermaßen gefangen habe, schreite ich zur Schadensbehebung. Stefsechef weiß, wie das kaputte Trumm heißt, Correa, er fertigt eine Zeichnung davon an und erkundigt sich an der Rezeption, wo markengleiche Roller verliehen werden, nach deren Haus-und Hofwerkstatt. Noch eine halbe Stunde schieben, Nahkampfkonversation mit dem Mechaniker, drei Stunden warten, ins Gesparte fahren, fertig. Und so vergehen die Tage. Nach Einbruch der Nacht setze ich mich an den verlassenen Strand und trinke einen Pina Colada.Der Rum dazu hatte die Farbe von Sonnenblumenöl und hier ist es friedlich und schön.

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