Mittwoch, 2. Dezember 2015



1.12., , Camagüey, Santa Lucia
Mein Reiseführer berichtet von alten Weibern, die am MercadoAgropecuario, dem größten Markt der Stadt, Kräuter, Elixiere und Wundersäfte vertreiben, da will ich hin. Die Fleischabteilung, wo ganze Mägen und Sauschädel ungekühlt auf Abnehmer warten, ist wie immer separiert vom restlichen Geschehen am Rand des Marktes angesiedelt. Die restlichen Standler verkaufen getrocknete Linsen, Bohnen und Reis, dazu noch etwas frisches Obst und Gemüse und die Suppenwürfel einzeln. Keine Kräuterhexen, schade. Dieser Tage geht auch der Kubanerin dieApotheke, wenn ihm etwas fehlt. Das staatliche Krankensystem braucht sich vor dem Rest der Welt nicht zu verstecken, sagt zumindest die Propaganda.
Im Niemandsland später schaut´s schlecht aus, fast kein Tiger mehr im Tank. Zweimal fünfzehn Kilometer Umweg nach Nuevitas und retour lege ich deswegen ein nur um mir dort anhören zu müssen, Especial sei gerade nicht verfügbar. Was soll das heißen, mein Sprit ist aus? Ja gibt’s was Ärgeres, ihr Prekärbeschäftigten? Beim Wirten geht das Bier ja auch nicht einfach so aus, dafür hat man was im Keller gelagert. Einer meint, ich könne ebenso gut Regular tanken, no Problem. Andere Optionen habe ich ohnehin keine. Ich investiere zwei Pesos in die Übergangslösung. Das passt Strache gar nicht. Er spielt sich auf und bockt herum und ich komme mir vor, als würde ich einen störrischen Esel reiten, trotzdem nimmt er sich reichlich. Sieben Kilometer vor Santa Lucia und der dortigen Tankstelle verreckt mir diese Ausgeburt, der Tank ist so trocken wie ein leeres Glas Martini. Ich wusste es die ganze Zeit, dass Strache nur auf seine Chance wartet, und jetzt war sie da. Als ich ihn so durch die flimmernde und nichtssagende Ebene schiebe, kommen mir drei Gestalten auf einem kleinen Pferdefuhrwerk entgegen. Die drei sitzen mit einer Flasche Rum zusammengequetscht auf der Bank der zweirädrigen Kutsche, auf der vielleicht zwei Quadratmeter großen Ladefläche hinter ihnen liegt ein gefesseltes, stattliches Schwein. Für einen Zehner würden sie mich zur Tankstelle bringen, meint einer und ich willige ein in die bizarrste Abschleppaktion aller Zeiten. Den Plan, Strache auf die winzige Ladefläche zu wuchten, geben die Figuren schnell auf, es ist einfach zu wenig Platz da hinten und das Schwein schreit jetzt wie am Spieß. Ich also rauf auf die Kutschbank und der Älteste der Partie lässt sich mit einem kurzen Seil in der Hand nachziehen. Der neben mir drückt mir alle zwei Minuten den Rum in die Hand und kippt selbst auch ganz anständig, sogar der Typ am Seil zieht sich in kurzen Abständen mit Schwung nach vorne, lässt los und übernimmt von mir mit der Rechten die Flasche, dann halte ich ihn solange am Krawattl, bis er wieder zum Seil wechselt oder er sich direkt an der Kutsche festkrallt. Der Jüngste gibt zu verstehen, dass sie Brüder wären, was bei einem Altersunterschied von geschätzten dreißig Jahren eher unwahrscheinlich ist, dass sie gerade dabei waren, das Schwein irgendwo hin zum Schlachten zu bringen und noch vieles mehr, was ich nicht verstehen kann.  Ich erzähle, dass ich der größte Traveler aller Zeiten und Strache die mieseste Krücke sei, da kommt auch nicht viel an. Der neben mir ist schon sehr blunziert, redselig und sehr anhänglich, es ist auch wirklich eng hier oben. Wenn der Jüngste rechts außen dem Gaul die Peitsche gibt, schlägt der aus und erwischt erfreulicherweise aus bautechnischen Gründen immer nur die Unterseite der Kutsche, aber es rummst gewaltig. Der Alte schlingert derweilen seitlich versetzt am Moped herum, spuckt und schnauft. Absolut abgefahren. Als die Typen gleich zu Beginn mit mir von der ohnehin verwaisten Hauptstraße in einen Feldweg eingebogen sind, hatte ich kein besonders gutes Gefühl aber jetzt, nach einer Dreiviertelstunde, ist die Flasche fast leer, wir pecken uns ab und klopfen uns auf die Schultern, wir sind die besten Haberer. Schwer beeinträchtigt schiebe ich Strache die letzten Meter zum Sprit und irgendwann bleibt ihm nichts anderes mehr uebrig, als wieder anzuspringen. Ich checke im erstbesten Hotel ein und lege mich mal für ein paar Stunden hin. Als ich wieder zu mir komme ist es schon spät aber ich bin brandig und cruise auf der Suche nach Wasser die Gegend ab. Sehr abgeschieden ist es hier, nichts außer ein paar Hotelanlagen.

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