Montag, 28. Dezember 2015



26.12., Bayamo
Auch wir ernähren uns der Weihnachtszeit entsprechend üppig. Der morgendliche Rundgang bringt kleine Langos mit einer Idee von gefülltem Fleisch mit sich, das Stück zu einem Peso oder fünf Cent. Ein labbriges Pizzastück geht auch noch. Dafür stehen die Leute wie überall sonst auch geduldig an, obwohl das gar nicht notwendig wäre. Ich gewahre folgenden Ablauf: Der Erste in der Reihe gibt seine Bestellung auf, er wählt also eine der zwei verfügbaren Sorten. Die Imbissqualle schiebt das Pizzastück widerwillig in den Ofen, dann warten alle drei Minuten. Weit bevor die Pizza die Chance bekäme, knusprig zu werden, wird sie schon dem Kunden ausgehändigt, dann erst darf der nächste seine Bestellung aufgeben. Der Ofen ist durchaus geräumig, da wäre noch Platz für mehrals ein Stück, aber so ist in Kuba aus unerfindlichen Gründen der Lauf der Dinge. Dazu trinkt man Limonade aus in der Mitte abgeschnittenen, an der Schnittstelle rundgelutschten Bierflaschen, an denen noch Teile des Etiketts kleben. Zurück im Casa gibt Raffael, der Besitzer des Hauses, einen Kaffee aus und bemüht sich geduldig um Konversation mit uns Sprachamputierten. Als Geographiedozent an der Universität und in seiner Funktion als Experte bei großen, landesweiten Bauvorhaben hat er monatlich um die sechzig Euro eingefahren, bis sich seine Verlobte mit einem anderen Typen nach Miami abgesetzt hat. Dann hat er es gut sein lassen mit dem Herumreisen und beschränkt sich seither auf die Vermietung eines einzigen Zimmers, was ihm durchschnittlich zweihundert Euro monatlich einbringt. Er schildert uns an über Investitionen, Steuern und fixe, vom Umsatz unabhängige Abgaben an den Staat, die er entrichten muss, und ist trotz der großen Diskrepanz im Vergleich zu seinem vorherigen Einkommen ein großer Anhänger des sozialistischen Systems. Er und alle anderen würden hier glücklich in Freiheit, Selbstbestimmung und Frieden leben, er sei letztendlich der Staat und somit persönlich verantwortlich für dessen Wohlergehen. Unterschlagung von Einkünften käme nicht in Frage.

Wir brechen auf und ab jetzt wird’s richtig russisch, von hier fahren keine Busse mehr nach Süden. Den Weg zur Küste versperrt ein langgezogenes Bergmassiv und die Straßen rundherum sind nicht die besten. Ein Hurrican 2005 hat kräftig umgerührt. Wir beginnen den Reigen mit der Suche nach einem Taxi Collectivo. Der zuständige Fuhrparkzampano startet die Lohnverhandlungen mit stolzen fünfundzwanzig CUC pro Nase für die Fahrt nach Manzanillo und schleift sich unmittelbar nach dem freundlichen Hinweis, wir wüssten in etwa um das hiesige Lohnniveau Bescheid, bei akzeptablen sechs CUC ein. Kurz folgen wir dem Bayamo-Fluss, wo die Städter in einer schönen Grünanlage chillen und ihre Pferde zum Tränken bringen, dann verlassen wir die Stadt.Unser Lada beruhigt mit Dämpfen aus seinem lecken Tank und verfügt über nicht zu glaubendes Spiel in der Lenkung. Wie ein Kapitän auf hoher See kurbelt der Fahrer an seinem Lenkrad und lässt es sich doch nicht nehmen, wie die gesengte Sau durch die Gegend zu fetzen. Maiskolben liegen auf den Dächern der Häuser zum Trocknen aus, Bananenstauden jeder Größe in Reih und Glied. In Manzanillo bringt uns nach langer Fragerei eine alte Jawa-Beiwagenmaschine zum Stadtrand, wo man sich an einer bestimmten Kreuzung trifft und auf Anschluss hofft. Ena im Kobel rechts von mir hat drei Rucksäcke bei sich und den vierten habe ich umgeschnallt, wir tragen Bauhelme. Gerade rechtzeitig kommt ein Lastwagen mit dauerprovisorisch für den Personenverkehr umgebauter, überdachter Ladefläche, in den wir über eine senkrechte Leiter hochklettern und mit rund hundert weiteren Fahrgästen unseren Weg fortsetzen. Durch schmale Schlitze sehen wir die Landschaft vorbeiziehen, es ist sehr eng und stickig. Jeweils zwei Stahl-U-Träger sind links und rechts in Fahrtrichtung als Sitzgelegenheiten angebracht, der Rest der Passagiere hält sich während der holprigen Fahrt an angeschweißten Stahlrohren fest. Die Leute sind gut drauf und grinsen uns an, wir werden exotisch. Eine Frau mit Torte steigt zu und einer der Sitzenden übernimmt wie selbstverständlich das wackelige Teil, das wie üblich nur auf einem Stück Karton transportiert wird. Auf der Landstraße kommen uns viele Traktoren und Lkw´s vollbeladen mit Zuckerrohr entgegen, vor den Toren der Anlagen mit ihren rauchenden Schloten stehen sie geparkt und warten auf die Löschung der Ware. Kilometerlange Plantagen, soweit das Auge reicht. Durch weiße Fahnen markierte Ortseinfahrten wegen unter freiem Himmel stattfindender Schachturniere. In Media Luna wechseln wir abermals den Lastwagen, dessen Bremsen über die zwei Kilometer lang abfallenden Serpentinen entlang der Gebirgsausläufer hart an die Belastungsgrenze gekommen sind. Es stinkt gewaltig nach verschmortem Gummi, als der Lastwagen in Pilon, einer kleinen Hafenstadt, ächzend zum Stillstand kommt. Ein Bulle gurkt auf einem kaputten Kinderfahrrad herum. Die Cowboys verwenden anstatt von Sätteln nur mehr Decken oder Jutesäcke. Die letzten fünfzehn Kilometer zum  All Inklusive- Traum bei Marea del Portillo im südöstlichsten Zipfel Kubas legen wir wieder im Taxi zurück. Die Hütte ist restlos ausgebucht, wir haben unser Quartier für die nächsten Tage schlauerweise schon in Bayamo gebucht. Obschon in Sachen Cluburlaub noch unbefleckt und somit dem kubanischen Leistungsniveau gegenüber unvoreingenommen eingestellt, muss ich die Gefährtin doch fast in unser Zimmer treten, hält sie sich doch entgeistert ob des ihr Zugemuteten widerspenstig am Türstock fest. Im Reiseführer ist dieses Dreisterne-Resort als großer und edler Bruder der restlichen Unterkünfte im Umkreis beschrieben aber lässt man das schöngefärbte Gefasel beiseite, muss man doch den einen oder anderen Abstrich vornehmen. Das Zimmer ist schäbig, der Strand ist naturbelassen, sprich vollkommen verdreckt, sogar im Pool schwimmt der Abfall. Erst nach mehreren Pina Coladas erwacht Enas eingebauter Weichzeichner zum Leben, dann geht’s schon wieder. Hungrig von der beschwerlichen Anreise stürmen wir mit den anderen pauschalierten Fressmaschinen das Buffet.

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