26.12.,
Bayamo
Auch
wir ernähren uns der Weihnachtszeit entsprechend üppig. Der morgendliche
Rundgang bringt kleine Langos mit einer Idee von gefülltem Fleisch mit sich,
das Stück zu einem Peso oder fünf Cent. Ein labbriges Pizzastück geht auch noch.
Dafür stehen die Leute wie überall sonst auch geduldig an, obwohl das gar nicht
notwendig wäre. Ich gewahre folgenden Ablauf: Der Erste in der Reihe gibt seine
Bestellung auf, er wählt also eine der zwei verfügbaren Sorten. Die
Imbissqualle schiebt das Pizzastück widerwillig in den Ofen, dann warten alle drei
Minuten. Weit bevor die Pizza die Chance bekäme, knusprig zu werden, wird sie schon
dem Kunden ausgehändigt, dann erst darf der nächste seine Bestellung aufgeben.
Der Ofen ist durchaus geräumig, da wäre noch Platz für mehrals ein Stück, aber
so ist in Kuba aus unerfindlichen Gründen der Lauf der Dinge. Dazu trinkt man
Limonade aus in der Mitte abgeschnittenen, an der Schnittstelle rundgelutschten
Bierflaschen, an denen noch Teile des Etiketts kleben. Zurück im Casa gibt
Raffael, der Besitzer des Hauses, einen Kaffee aus und bemüht sich geduldig um
Konversation mit uns Sprachamputierten. Als Geographiedozent an der Universität
und in seiner Funktion als Experte bei großen, landesweiten Bauvorhaben hat er
monatlich um die sechzig Euro eingefahren, bis sich seine Verlobte mit einem
anderen Typen nach Miami abgesetzt hat. Dann hat er es gut sein lassen mit dem
Herumreisen und beschränkt sich seither auf die Vermietung eines einzigen Zimmers,
was ihm durchschnittlich zweihundert Euro monatlich einbringt. Er schildert uns
an über Investitionen, Steuern und fixe, vom Umsatz unabhängige Abgaben an den
Staat, die er entrichten muss, und ist trotz der großen Diskrepanz im Vergleich
zu seinem vorherigen Einkommen ein großer Anhänger des sozialistischen Systems.
Er und alle anderen würden hier glücklich in Freiheit, Selbstbestimmung und
Frieden leben, er sei letztendlich der Staat und somit persönlich verantwortlich
für dessen Wohlergehen. Unterschlagung von Einkünften käme nicht in Frage.
Wir
brechen auf und ab jetzt wird’s richtig russisch, von hier fahren keine Busse
mehr nach Süden. Den Weg zur Küste versperrt ein langgezogenes Bergmassiv und
die Straßen rundherum sind nicht die besten. Ein Hurrican 2005 hat kräftig
umgerührt. Wir beginnen den Reigen mit der Suche nach einem Taxi Collectivo.
Der zuständige Fuhrparkzampano startet die Lohnverhandlungen mit stolzen
fünfundzwanzig CUC pro Nase für die Fahrt nach Manzanillo und schleift sich
unmittelbar nach dem freundlichen Hinweis, wir wüssten in etwa um das hiesige
Lohnniveau Bescheid, bei akzeptablen sechs CUC ein. Kurz folgen wir dem
Bayamo-Fluss, wo die Städter in einer schönen Grünanlage chillen und ihre
Pferde zum Tränken bringen, dann verlassen wir die Stadt.Unser Lada beruhigt
mit Dämpfen aus seinem lecken Tank und verfügt über nicht zu glaubendes Spiel
in der Lenkung. Wie ein Kapitän auf hoher See kurbelt der Fahrer an seinem
Lenkrad und lässt es sich doch nicht nehmen, wie die gesengte Sau durch die
Gegend zu fetzen. Maiskolben liegen auf den Dächern der Häuser zum Trocknen
aus, Bananenstauden jeder Größe in Reih und Glied. In Manzanillo bringt uns nach
langer Fragerei eine alte Jawa-Beiwagenmaschine zum Stadtrand, wo man sich an einer
bestimmten Kreuzung trifft und auf Anschluss hofft. Ena im Kobel rechts von mir
hat drei Rucksäcke bei sich und den vierten habe ich umgeschnallt, wir tragen
Bauhelme. Gerade rechtzeitig kommt ein Lastwagen mit dauerprovisorisch für den
Personenverkehr umgebauter, überdachter Ladefläche, in den wir über eine senkrechte
Leiter hochklettern und mit rund hundert weiteren Fahrgästen unseren Weg
fortsetzen. Durch schmale Schlitze sehen wir die Landschaft vorbeiziehen, es
ist sehr eng und stickig. Jeweils zwei Stahl-U-Träger sind links und rechts in
Fahrtrichtung als Sitzgelegenheiten angebracht, der Rest der Passagiere hält
sich während der holprigen Fahrt an angeschweißten Stahlrohren fest. Die Leute
sind gut drauf und grinsen uns an, wir werden exotisch. Eine Frau mit Torte
steigt zu und einer der Sitzenden übernimmt wie selbstverständlich das
wackelige Teil, das wie üblich nur auf einem Stück Karton transportiert wird.
Auf der Landstraße kommen uns viele Traktoren und Lkw´s vollbeladen mit
Zuckerrohr entgegen, vor den Toren der Anlagen mit ihren rauchenden Schloten
stehen sie geparkt und warten auf die Löschung der Ware. Kilometerlange
Plantagen, soweit das Auge reicht. Durch weiße Fahnen markierte Ortseinfahrten
wegen unter freiem Himmel stattfindender Schachturniere. In Media Luna wechseln
wir abermals den Lastwagen, dessen Bremsen über die zwei Kilometer lang
abfallenden Serpentinen entlang der Gebirgsausläufer hart an die
Belastungsgrenze gekommen sind. Es stinkt gewaltig nach verschmortem Gummi, als
der Lastwagen in Pilon, einer kleinen Hafenstadt, ächzend zum Stillstand kommt.
Ein Bulle gurkt auf einem kaputten Kinderfahrrad herum. Die Cowboys verwenden
anstatt von Sätteln nur mehr Decken oder Jutesäcke. Die letzten fünfzehn
Kilometer zum All Inklusive- Traum bei
Marea del Portillo im südöstlichsten Zipfel Kubas legen wir wieder im Taxi
zurück. Die Hütte ist restlos ausgebucht, wir haben unser Quartier für die
nächsten Tage schlauerweise schon in Bayamo gebucht. Obschon in Sachen
Cluburlaub noch unbefleckt und somit dem kubanischen Leistungsniveau gegenüber unvoreingenommen
eingestellt, muss ich die Gefährtin doch fast in unser Zimmer treten, hält sie
sich doch entgeistert ob des ihr Zugemuteten widerspenstig am Türstock fest. Im
Reiseführer ist dieses Dreisterne-Resort als großer und edler Bruder der
restlichen Unterkünfte im Umkreis beschrieben aber lässt man das schöngefärbte
Gefasel beiseite, muss man doch den einen oder anderen Abstrich vornehmen. Das
Zimmer ist schäbig, der Strand ist naturbelassen, sprich vollkommen verdreckt,
sogar im Pool schwimmt der Abfall. Erst nach mehreren Pina Coladas erwacht Enas
eingebauter Weichzeichner zum Leben, dann geht’s schon wieder. Hungrig von der
beschwerlichen Anreise stürmen wir mit den anderen pauschalierten
Fressmaschinen das Buffet.
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