Mittwoch, 9. Dezember 2015



8.12., Havanna

Gestern habe ich mich noch in eines der besten Hotels der Stadt eingeschlichen, ins Park Central. Da ich aus mir unerfindlichen Gründen auf Anhieb als Tourist erkennbar bin und in Kuba jeder Ausländer automatisch reich ist, wurden mir anstandslos Tür und Tor geöffnet. Die Suche nach einer funktionierenden Internetzverbindung hatte mich zur Hochstapelei getrieben und während ich in der Businesslounge Nachrichten in die freie Welt entsandte, hat ein Typ das Saxophon gewürgt und eine Lady in schwarzer Abendrobe hat ein Liedchen dazu geträllert. Wieder zurück auf der Straße hat´s geregnet und ich habe mich in der nachbarlichen Fußgängerzone noch an einer Ladung Kukuruz gütlich getan. Der vor mir hat sich seinen Maiskolben mit Mayonnaise bepinseln lassen, ist ja ekelhaft. Die Verkäuferin hinter dem wuchtigen Gitter hat schon eine Weihnachtsmütze getragen. Alles in Kuba ist vergittert. Ich frage mich, wie wohl die Gefängnisse aussehen. Auch das ebenerdige Fitnessstudio, an dem ich vorbeigeschlendert bin, war hinter Gittern. Uralte Geräte auf engstem Raum.
Heute regnet es noch immer. Mein Vermieter schaut mich aus verschwollenen Augen an, als ich wegen dem Frühstück bei ihm anklopfe. Später setzt er sich wieder dazu und wir reden über Gott und die Welt. Glaube ich. Er ignoriert geflissentlich den Umstand, dass ich kein Spanisch spreche und erzählt und erzählt, während ich versuche, aus dem Gebrabbel schlau zu werden. Später folge ich dem Malecon nach Westen, in Richtung Neu-Havanna. Keiler überall. Hier nennt man sie Jineteros, zu Deutsch Jockeys. Zwei von ihnen geben sich als spanische Touristen aus, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. Dann gleich Verbaldiarrhöe, wo sie nicht spottbillige Zigarren eingekauft hätten und den restlichen Text. Ein anderer fragt, wieviel meine Schuhe gekostet hätten und der nächste versichert mir, dass er sich wahnsinnig freue, mich wiederzusehen. Sobald man stehenbleibt wird man vollgelabert.
Ein graues Hochhaus sticht aus dem wunderlichen Ensemble der Gebäude entlang des Malecon heraus. Ein von den Sowjets 1980 erbautes, sechsundzwanzigstöckiges Krankenhaus, das so viel Hoffnung ausstrahlt wie ein Krematorium. Der ganze Bau schwitzt den penetranten Geruch von Desinfektionsmitteln aus. Einen Kilometer weiter steht hinter hohen Gittern die Botschaft der Vereinigten Staaten. Vor dem Gebäude hat die kubanische Regierung unzählige, dicke Fahnenmasten in sechs oder sieben Reihen hochziehen lassen, um eine elektronische Anzeigetafel der Botschaft zu verdecken, auf der die Amis ihre Propaganda verbreiten wollten. Wie die Kinder. Der Platz dazu heißt Plaza Tribuna Anti-Imperialista. Subtilität ist Castros Sache nicht. Schon im Revolutionsmuseum wurde neben Batista, Ronald Reagan und seinem Vater George W. Bush als Kretin verunglimpft, dargestellt als Comicfigur mit Hakenkreuz auf der Fliegermütze, die ein Buch verkehrt herum in Händen hält.
Im neuen Viertel Havannas zieren monumentale, beeindruckende  Denkmäler die Boulevards, während ich mich im historischen Teil der Stadt oft nur wundern kann. Die Skulpturen dort sehen meistens so aus, als wären sie aus größtem Mangel an geeigneten Materialien heraus entstanden. Der Künstler wird sich gedacht haben, Ok, ich habe hier vom vaterländischen Komitee für die Hochhaltung des Andenkens an die Revolution also ein Eisenrohr, zehn Säcke Zement und drei Traversen bewilligt bekommen. Am besten, ich verbiege das Rohr, male die Traversen rosa an und stecke sie in den Boden, gieße den Beton darüber und schreibe noch irgendwo „Freiheit oder Tod“ darauf.
Den Hügel hinauf komme ich zum Platz der Revolution. Die Luft ist verpestet von den Abgasen, die die Schrotthaufen an die Umwelt abgeben, während sie sich die lächerliche Steigung dorthin hochkämpfen. Die Straße ist gesäumt von Bäumen mit Luftwurzeln, aus denen Lianen und Farne bis zum Boden herab hängen. Der Platz selbst ist erstaunlich groß mit ganzen Gedenkgebäuden und riesigen Marmorstatuen. Davor verläuft eine wenig befahrene, achtspurige Straße. Vor fünfzehn Jahren gab hier Papst Johannes Paul ein Konzert vor mehr als einer Million Fans. Hinter den Monumenten liegt der Sitz der kubanischen Regierung. Alles ist streng bewacht und hermetisch abgeriegelt. Im neuen Stadtteil hat Havanna bei weitem nicht mehr so viel Flair, hier ist alles relativ modern und sauber. Viele Gebäude stammen aus der Zeit der amerikanischen Prohibition in den 50er Jahren, als sich in Havanna reiche und nicht selten kriminelle Amis eine schöne Zeit gemacht haben. Am Abend begebe ich mich auf Herbergssuche. Für die in Kürze eintreffende Gefährtin darf es gerne etwas luxuriöser sein. Das Klinken putzen bringt nicht viel. Zu Beginn der Hochsaison sind die meisten Quartiere hauptsächlich von Reisegruppen belegt.

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