8.12.,
Havanna
Gestern habe
ich mich noch in eines der besten Hotels der Stadt eingeschlichen, ins Park
Central. Da ich aus mir unerfindlichen Gründen auf Anhieb als Tourist erkennbar
bin und in Kuba jeder Ausländer automatisch reich ist, wurden mir anstandslos
Tür und Tor geöffnet. Die Suche nach einer funktionierenden Internetzverbindung
hatte mich zur Hochstapelei getrieben und während ich in der Businesslounge
Nachrichten in die freie Welt entsandte, hat ein Typ das Saxophon gewürgt und
eine Lady in schwarzer Abendrobe hat ein Liedchen dazu geträllert. Wieder
zurück auf der Straße hat´s geregnet und ich habe mich in der nachbarlichen
Fußgängerzone noch an einer Ladung Kukuruz gütlich getan. Der vor mir hat sich
seinen Maiskolben mit Mayonnaise bepinseln lassen, ist ja ekelhaft. Die
Verkäuferin hinter dem wuchtigen Gitter hat schon eine Weihnachtsmütze getragen.
Alles in Kuba ist vergittert. Ich frage mich, wie wohl die Gefängnisse aussehen.
Auch das ebenerdige Fitnessstudio, an dem ich vorbeigeschlendert bin, war
hinter Gittern. Uralte Geräte auf engstem Raum.
Heute regnet
es noch immer. Mein Vermieter schaut mich aus verschwollenen Augen an, als ich
wegen dem Frühstück bei ihm anklopfe. Später setzt er sich wieder dazu und wir
reden über Gott und die Welt. Glaube ich. Er ignoriert geflissentlich den
Umstand, dass ich kein Spanisch spreche und erzählt und erzählt, während ich
versuche, aus dem Gebrabbel schlau zu werden. Später folge ich dem Malecon nach
Westen, in Richtung Neu-Havanna. Keiler überall. Hier nennt man sie Jineteros,
zu Deutsch Jockeys. Zwei von ihnen geben sich als spanische Touristen aus, ob ich
ein Foto von ihnen machen könne. Dann gleich Verbaldiarrhöe, wo sie nicht
spottbillige Zigarren eingekauft hätten und den restlichen Text. Ein anderer
fragt, wieviel meine Schuhe gekostet hätten und der nächste versichert mir,
dass er sich wahnsinnig freue, mich wiederzusehen. Sobald man stehenbleibt wird
man vollgelabert.
Ein graues
Hochhaus sticht aus dem wunderlichen Ensemble der Gebäude entlang des Malecon
heraus. Ein von den Sowjets 1980 erbautes, sechsundzwanzigstöckiges
Krankenhaus, das so viel Hoffnung ausstrahlt wie ein Krematorium. Der ganze Bau
schwitzt den penetranten Geruch von Desinfektionsmitteln aus. Einen Kilometer
weiter steht hinter hohen Gittern die Botschaft der Vereinigten Staaten. Vor
dem Gebäude hat die kubanische Regierung unzählige, dicke Fahnenmasten in sechs
oder sieben Reihen hochziehen lassen, um eine elektronische Anzeigetafel der
Botschaft zu verdecken, auf der die Amis ihre Propaganda verbreiten wollten.
Wie die Kinder. Der Platz dazu heißt Plaza Tribuna Anti-Imperialista.
Subtilität ist Castros Sache nicht. Schon im Revolutionsmuseum wurde neben Batista,
Ronald Reagan und seinem Vater George W. Bush als Kretin verunglimpft,
dargestellt als Comicfigur mit Hakenkreuz auf der Fliegermütze, die ein Buch
verkehrt herum in Händen hält.
Im neuen
Viertel Havannas zieren monumentale, beeindruckende Denkmäler die Boulevards, während ich mich im
historischen Teil der Stadt oft nur wundern kann. Die Skulpturen dort sehen
meistens so aus, als wären sie aus größtem Mangel an geeigneten Materialien
heraus entstanden. Der Künstler wird sich gedacht haben, Ok, ich habe hier vom
vaterländischen Komitee für die Hochhaltung des Andenkens an die Revolution also
ein Eisenrohr, zehn Säcke Zement und drei Traversen bewilligt bekommen. Am
besten, ich verbiege das Rohr, male die Traversen rosa an und stecke sie in den
Boden, gieße den Beton darüber und schreibe noch irgendwo „Freiheit oder Tod“
darauf.
Den Hügel
hinauf komme ich zum Platz der Revolution. Die Luft ist verpestet von den
Abgasen, die die Schrotthaufen an die Umwelt abgeben, während sie sich die
lächerliche Steigung dorthin hochkämpfen. Die Straße ist gesäumt von Bäumen mit
Luftwurzeln, aus denen Lianen und Farne bis zum Boden herab hängen. Der Platz
selbst ist erstaunlich groß mit ganzen Gedenkgebäuden und riesigen Marmorstatuen.
Davor verläuft eine wenig befahrene, achtspurige Straße. Vor fünfzehn Jahren
gab hier Papst Johannes Paul ein Konzert vor mehr als einer Million Fans.
Hinter den Monumenten liegt der Sitz der kubanischen Regierung. Alles ist
streng bewacht und hermetisch abgeriegelt. Im neuen Stadtteil hat Havanna bei
weitem nicht mehr so viel Flair, hier ist alles relativ modern und sauber. Viele
Gebäude stammen aus der Zeit der amerikanischen Prohibition in den 50er Jahren,
als sich in Havanna reiche und nicht selten kriminelle Amis eine schöne Zeit
gemacht haben. Am Abend begebe ich mich auf Herbergssuche. Für die in Kürze
eintreffende Gefährtin darf es gerne etwas luxuriöser sein. Das Klinken putzen
bringt nicht viel. Zu Beginn der Hochsaison sind die meisten Quartiere
hauptsächlich von Reisegruppen belegt.
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