Mittwoch, 2. Dezember 2015



30.11., Ciego de Avila, Camagüey
Meine Herberge ist wie die meisten anderen Häuser in Kuba auch eine kleine Festung. Bis in den letzten Stock sind alle Fenster massiv vergittert, der Hof selbst ist wie ein Käfig auf einer Seite mit hohen Mauern, auf der anderen Seite und der Decke mit Gittern geschützt.In diesem Käfig trinke ich meinen Kaffee und esse das Übliche. Irgendwo muss für private Vermieter eine Broschüre mit verbindlichen Frühstücksstandards aufliegen, das Aufgewartete gleicht sich landesweit aufs Haar. Schinkenkäsetoast, zwei Eier, ein Obstteller mit Ananas, Papaya und Guaven, Kaffee mit einer Extrakanne heißer Milch dazu. Das alles schlotze ich ein, bevor ich mich auf den Weg mache.Die angeblich noch existierenden Überreste von La Trochakann ich nicht finden. Von der einstigen Bastion mit siebzehn Forts und einer eigenen Eisenbahnlinie quer durch ganz Kuba scheint nichts mehr übrig zu sein. Der eingelegte Umweg versetzt mich etwas in den Norden mit nicht viel mehr als endlosen Zuckerrohrplantagen und Stichstraßen dazwischen. Die sind in wirklich schlechtem Zustand und bis auf ein paar Arbeiter auf ihren Fahrrädern mit CD´s als Reflektoren wie ausgestorben.Wieder zurück in belebteren Landstrichen stehen bei den großen Kreuzungen eigene Angestellte in senffarbenen Uniformen, die die Wartenden entsprechend reihen und auf vorbeifahrende Lastwägen und sonstige Mitfahrgelegenheiten verteilen. Vor Camagüey begrüßt mich noch ein Bulle per Handschlag, dann suche ich mir ein Casa Particularnahe dem Zentrum. Das Moped schiebe ich mittels in jedem Haushalt verfügbarer kleiner Holzrampen zur Überwindung der Gehsteig- und Hauskante ins herrschaftliche Wohnzimmer,einem hohen Raum mit geschwungenen Sofas, Säulen undalten Lustern, bevor ich weiter hinten im Garten ein Zimmer belege.Beim anschließenden Spaziergang durch die labyrinthartig angelegte Stadt komme ich langsam auf den Geschmack der MonedasNacional, der kubanischen Pesos. Die kann man bei bestimmten Banken wechseln oder man lässt sich das Wechselgeld auf die Convertiblesgleich in heimischer Währungherausgeben. Bisher dachte ich, diese Lappen wären nur bessere Essensmarkerl aber man kann sich doch einiges darum kaufen. Ich erwerbe damit heute eine Labberpizza,  einen frittierten Teigklumpen und ein sehr süßes Biscuitquadrat. Was es mit den Quartieren auf sich hat, die man in einheimischer Währung bezahlt, muss ich noch herausfinden.
Sogar vor dem Supermarkt muss man sich anstellen, damit sich nicht zu viele Leute gleichzeitig durch die spärlich gefüllten Gänge drängen. Alle verkauften Waren werden dann noch an der Kassa händisch notiert, teilweise mit dem elendslangen Barcode. Und genauso lange dauert das. Ein voller Einkaufswagen würde das gesamte System zum Kollabieren bringen, aber so viel Geld hat hier eh keiner.
Nach Einbruch der Dunkelheit istCamagüey nur sehr spärlich beleuchtet, ich kann die Sterne am Himmel sehen. Auf den Plätzen vor denBarockkirchen, wo ein paar Hot Spots eingerichtet worden seindürften, sitzen viele Gruppen zusammen und alle surfen ohne Ausnahme im Netz, ein paar skypen.Die BrigadaEspecial steht für Zwischenfälle im Mannschaftswagen bereit. Das Konzept der verschachtelten Anordnung der Gassen, um in wilderen Zeiten der Legende nach marodierende Banden und plündernde Piraten zu verwirren, funktioniert zumindest bei mir bestens. Ich bewege mich hauptsächlich im Kreis in diesem Irrgarten aus gewundenen Straßen und schmalen Gassen und wähne mich mehr in einer marokkanischen Medina während ich versuche, mich irgendwie zu orientieren. In fast jedem Haushalt steht der Fernseher im ersten Raum zur Straße hin. Die Türen und Fensterläden sind offen und nur die Gitter trennen die nicht selten pompösen Patios mit ihren Säulen und hohen Decken von der Außenwelt. Da sitzen die Familien versammelt vor der Glotze und schauen fern. Nur einer schaut ganz allein in sein Aquarium.

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