30.11.,
Ciego de Avila, Camagüey
Meine
Herberge ist wie die meisten anderen Häuser in Kuba auch eine kleine Festung.
Bis in den letzten Stock sind alle Fenster massiv vergittert, der Hof selbst
ist wie ein Käfig auf einer Seite mit hohen Mauern, auf der anderen Seite und
der Decke mit Gittern geschützt.In diesem Käfig trinke ich meinen Kaffee und
esse das Übliche. Irgendwo muss für private Vermieter eine Broschüre mit verbindlichen
Frühstücksstandards aufliegen, das Aufgewartete gleicht sich landesweit aufs
Haar. Schinkenkäsetoast, zwei Eier, ein Obstteller mit Ananas, Papaya und
Guaven, Kaffee mit einer Extrakanne heißer Milch dazu. Das alles schlotze ich
ein, bevor ich mich auf den Weg mache.Die angeblich noch existierenden
Überreste von La Trochakann ich nicht finden. Von der einstigen Bastion mit
siebzehn Forts und einer eigenen Eisenbahnlinie quer durch ganz Kuba scheint
nichts mehr übrig zu sein. Der eingelegte Umweg versetzt mich etwas in den
Norden mit nicht viel mehr als endlosen Zuckerrohrplantagen und Stichstraßen dazwischen.
Die sind in wirklich schlechtem Zustand und bis auf ein paar Arbeiter auf ihren
Fahrrädern mit CD´s als Reflektoren wie ausgestorben.Wieder zurück in
belebteren Landstrichen stehen bei den großen Kreuzungen eigene Angestellte in
senffarbenen Uniformen, die die Wartenden entsprechend reihen und auf
vorbeifahrende Lastwägen und sonstige Mitfahrgelegenheiten verteilen. Vor
Camagüey begrüßt mich noch ein Bulle per Handschlag, dann suche ich mir ein
Casa Particularnahe dem Zentrum. Das Moped schiebe ich mittels in jedem
Haushalt verfügbarer kleiner Holzrampen zur Überwindung der Gehsteig- und
Hauskante ins herrschaftliche Wohnzimmer,einem hohen Raum mit geschwungenen
Sofas, Säulen undalten Lustern, bevor ich weiter hinten im Garten ein Zimmer
belege.Beim anschließenden Spaziergang durch die labyrinthartig angelegte Stadt
komme ich langsam auf den Geschmack der MonedasNacional, der kubanischen Pesos.
Die kann man bei bestimmten Banken wechseln oder man lässt sich das Wechselgeld
auf die Convertiblesgleich in heimischer Währungherausgeben. Bisher dachte ich,
diese Lappen wären nur bessere Essensmarkerl aber man kann sich doch einiges
darum kaufen. Ich erwerbe damit heute eine Labberpizza, einen frittierten Teigklumpen und ein sehr
süßes Biscuitquadrat. Was es mit den Quartieren auf sich hat, die man in
einheimischer Währung bezahlt, muss ich noch herausfinden.
Sogar
vor dem Supermarkt muss man sich anstellen, damit sich nicht zu viele Leute
gleichzeitig durch die spärlich gefüllten Gänge drängen. Alle verkauften Waren
werden dann noch an der Kassa händisch notiert, teilweise mit dem elendslangen Barcode.
Und genauso lange dauert das. Ein voller Einkaufswagen würde das gesamte System
zum Kollabieren bringen, aber so viel Geld hat hier eh keiner.
Nach
Einbruch der Dunkelheit istCamagüey nur sehr spärlich beleuchtet, ich kann die
Sterne am Himmel sehen. Auf den Plätzen vor denBarockkirchen, wo ein paar Hot
Spots eingerichtet worden seindürften, sitzen viele Gruppen zusammen und alle
surfen ohne Ausnahme im Netz, ein paar skypen.Die BrigadaEspecial steht für
Zwischenfälle im Mannschaftswagen bereit. Das Konzept der verschachtelten
Anordnung der Gassen, um in wilderen Zeiten der Legende nach marodierende Banden
und plündernde Piraten zu verwirren, funktioniert zumindest bei mir bestens.
Ich bewege mich hauptsächlich im Kreis in diesem Irrgarten aus gewundenen
Straßen und schmalen Gassen und wähne mich mehr in einer marokkanischen Medina
während ich versuche, mich irgendwie zu orientieren. In fast jedem Haushalt
steht der Fernseher im ersten Raum zur Straße hin. Die Türen und Fensterläden sind
offen und nur die Gitter trennen die nicht selten pompösen Patios mit ihren
Säulen und hohen Decken von der Außenwelt. Da sitzen die Familien versammelt
vor der Glotze und schauen fern. Nur einer schaut ganz allein in sein Aquarium.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen