Montag, 30. Januar 2017



30.1., Kupang, Kalabahi
Um Sechs wartet schon das Taxi, ich setze mich vorläufig ab. In zwei Wochen oder so werde ich noch für ein paar Tage zurückkommen, bevor die Reise nach Australien weitergeht. Die Molukken und Papua muss ich auf unbestimmte Zeit verschieben. Von Alor ginge es nur mehr über den Seeweg weiter und so viel Zeit habe nicht einmal ich. Am Vormittag schlage ich auf der letzten Insel östlich von Flores auf. Kopfjäger bis in die 50er Jahre, hochgehaltene animistische Traditionen. Die göttliche Nagaschlange wird von den Insulanern bis heute verehrt, ebenso die Sonne-Mond- Gottheit Lera Wulan? Ich bin gespannt. Der Taxler trägt jedenfalls keinen Knochen im Haar oder Schrumpfköpfe am Gürtel und Kalabahi, die größte Stadt der Insel mit 40.000 Einwohnern, macht ebenfalls einen ganz gewöhnlichen Eindruck auf mich. Das Homestay meiner Wahl ist vollverfliest. Ein australisches Pärchen bricht gerade auf. Die ersten Ausländer, seit ich Flores verlassen habe. Ein kurzes Update für mich geht sich noch aus. Alle Tauchbasen haben noch bis März geschlossen, es regnet seit Tagen, die Insel ist traumhaft und am besten per Roller zu erkunden. Der Inhaber hätte eine von Hand gezeichnete Karte. Zu Fuß verschaffe ich mir dann selbst einen ersten Überblick, bevor es zu regnen beginnt. Am Abend kocht mir die Chefin einen grandiosen Fisch mit Melanzani, mehr passiert nicht.


29.1., Lebolewa, Kupang

Mein neues Leben auf der Landstraße. Vom Hotel zum Flughafen, wo der Ticketschalter noch geschlossen hat. Menschen in Uniform schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass heute noch ein Vogel abheben wird, auf fifty fifty. Vom Flughafen zum Internetcafe in der Stadt, bis die Leitung zusammenbricht. Vom Internetcafe zum Flughafen, auf Verdacht ein Ticket für den mittäglichen Flug nach Kupang in Westtimor kaufen. Vom Flughafen zum Hotel, Gepäck holen. Vom Hotel zum Flughafen, einchecken. Der Flug wird erfreulicherweise stattfinden. Die anderen zwanzig Passagiere und ich werden per Handschlag begrüßt und am Schalter wird mir bereits eine Packung Schnitten ausgehändigt, die Bordverpflegung. Gut, dass ich sie schon in der Abfertigungshalle esse, an Bord der kleinen Propellermaschine wäre mir der Appetit mit Sicherheit vergangen. Hier stinkt´s wie in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt. Der Blick runter aufs Meer ist sensationell. Sandbänke, deren Konturen sich bis tief unter die Wasseroberfläche abzeichnen, bunte Fischerboote und eine kompakte, brodelnde Stelle im ansonsten unbewegten, klaren Wasser. Vielleicht ein Schwarm Fische oder Delphine. In Kupang angekommen, buche ich gleich den morgigen Anschlussflug nach Alor, womit ich meinen gigantischen Umweg auf die östlichste Insel des Solor-Alor-Archipels beenden werde. Eine fünfstündige Busfahrt, zehn Taxifahrten, zwei Flüge, insgesamt mehr als drei Tage Reisezeit für ein Ziel, von dem ich ursprünglich nicht mehr weiter entfernt war als achtzig Kilometer. Hoffentlich lohnt sich der Aufwand. Ein abendlicher Spaziergang durch das alte Hafenviertel Kupangs. Nach der Meuterei auf der Bounty hat hier nicht ganz freiwillig der englische Kapitän 1789 schon sechs Wochen verbracht. Davor machten sich die Holländer breit und vor denen kamen die Portugiesen. 1975 erklärte sich der Osten Timors unabhängig von Indonesien, woraufhin die Armee einmarschierte. 1999 töteten proindonesische Milizen tausendvierhundert Zivilisten, 2002 bekam Timor-Leste endgültig seine Unabhängigkeit. Vor zehn Jahren wurden die alten Straßenverbindungen wieder geöffnet und man kann den Osten zwar mit einigem bürokratischen Aufwand, aber doch wieder bereisen. So schaut´s aus, eine kleine geschichtliche Auffrischung für euch und für mich. Zurück in die Gegenwart. Schilder am schmutzigen Strand warnen vor Salzwasserkrokodilen, oberhalb braten Frauen Maiskolben am Gehsteig. Viele Einheimische sitzen auf der Mauer der Küstenstraße und schauen, die Burschen gebärden sich mit ihren Rollern. Ein Nachtmarkt mit frischem Fisch vom Grill. Alte Holzhütten und Trampelpfade in ruhigen Ecken abseits der Hauptstraßen. Ein Fruchtsaftstand neben dem anderen, ich schlürfe Avocadosaft mit Schokosauce. Nicht viel Neues in Westtimor.

Samstag, 28. Januar 2017



28.1., Wairiang, Lebolewa
Ich kaufe mir fünf warme Krapfen und schaue vorsichtig optimistisch beim Pier vorbei. Ganz ruhig liegt das Meer, die Sonne scheint. Trotzdem wird heute kein Boot nach Baranusa fahren. Morgen aber. Sicher morgen? Ja. Vielleicht aber auch nicht. So ungefähr der Informationsfluss mit den Einheimischen. Vielleicht möchte ich ein kleines Boot chartern um eine Mille? Von Baranusa gehen dann jeden Tag Fähren nach Alor, wo ich ja eigentlich hin will. Sicher? Nein, nicht sicher. Aber recht wahrscheinlich. Kommt aufs Wetter an. Aber die Sonne scheint? Hier sei es ja auch schön, meint die Wirtin. Einen tollen Strand gäbe es eine Stunde von hier. Kann ich ein Moped mieten? Nein. Fährt ein Bus dorthin? Nein. Wie schaut´s mit dem Strand da unterhalb vom Dorf aus? Schlecht. Große Krokodile. Vier Menschen und unzählige Hunde gefressen im Laufe der letzten Jahre. Und die schauen nicht gelegentlich beim Strand eine Stunde von hier vorbei? Nein, nein, keine Sorge. Ich werde den Bus zurück nach Lebolewa nehmen und versuchen, von dort weiterzukommen.Das Kind des Hauses bedeutet mir, vor dem Haus zu warten. Die Mutter hätte den Busfahrer schon angerufen und er würde mich hier in zwei Stunden abholen. Dabei schreit mir das Mädchen die paar englischen Brocken entgegen, als wäre ich schwerhörig. Also wieder fünf Stunden retour. Kleine Ziegelbrennereien unterwegs, einer fährt ein Fahrrad ohne Lenker. Die Menschen leben mitten im Wald. Dort wo die Hütten stehen, wächst rundum vielleicht Mais oder Papaya, aber der Rest ist Dschungel. Einige sehen den australischen Aborigines sehr ähnlich.Pure Lebensfreude nicht nur, aber ganz besonders in dieser Ecke Asiens. Ausnahmslos freundliches Miteinander, sogar der Dorfdepp wird respektvoll behandelt. Man singt und lacht. DerBusfahrer bleibt schon mal auf ein Schwätzchen stehen, jeder hilft jedem.Markttag ist. Einer liefert einen Sack mit Betelnüssen im nächsten Dorf ab, ein anderer nimmt vorübergehend eine StaudeBananen auf den Schoß.Wenn nur die vertrottelte Musik im Bus nicht wäre.Teletubbie-Elektrodreck mit verzerrten Stimmen an der Schmerzgrenze, ein infantiles Gepiepse und Gefiepse mit Discobeat.Zusammengeschnürte Hühner liegen zu meinen Füßen.Neben mir sitzt eine Mutter mit ihren zwei kleinen Kindern, die während der langen Fahrt extrem brav sind. Erst gegen Ende kotzt sich das eine an und verstinkt alles.Das Versprechen auf eine Internetverbindung lockt mich ins noble Hotel Olympic. Ich müsste mal herausfinden, wie ich von diesem Archipel wieder wegkomme und vielleicht sogar die entsprechenden Tickets buchen. Natürlich geht nichts. Ich werde bei der Rezeption vorstellig und bleibe so lange hartnäckig, bis dem Angestellten plötzlich etwas einfällt und er rasch verschwindet. Wunderbar, endlich kommt Bewegung in die Bude. Ich warte eine halbe Stunde, ehe ich einen Kollegen von ihm auftreiben und nach dem Verbleib des Abgängigen befragen kann. Der sei am Klo, er habe Verdauungsprobleme!Verschanzt sich der Hammer also auf dem Häusl und hofft, dass ich irgendwann abziehe. Sein Plan geht auf. Ich fahre zum Flughafen, der ist geschlossen. Eine Rollpiste mit einem Verwaltungsgebäude direkt neben dem Meer. Scheinbar gibt es täglich nur zwei Flüge abzuwickeln und das Tagwerk ist schon beendet. Ich komme wieder, morgen.


27.1., Lamalera, Lewoleba, Wairiang
Tatsächlich. Gerade als ich mit dem Packen fertig bin, klopft die Alte schon an die Tür, der Bus wäre am Weg. Noch vor vier setzt sich das Gefährt mit mir in Bewegung, diesmal ein umgebauter Lastwagen mit Sitzbänken auf der Ladefläche. Wenige Fahrgäste. Nach kurzer Zeit beginnt es zu regnen und hinten wird´s nass. Durch Schlamm und tropfenden Dschungel holpern wir zurück in die Stadt, wo man mich formlos an einen Mopedtaxler übergibt. Der scheibt mich zum anderen Terminal. Kaum habe ich dort zweimal an meinem Kaffee genippt, kommt schon der Bus nach Wairiang. Nicht weiter tragisch, das Gesöff war eh mit zu viel Ingwer versetzt. Eine Holzverladeaktion auf das Busdach im größeren Stil bei einem kleinen Sägewerk, dann verlassen wir bei strömendem Regen die Stadt. Eine Stunde würde die Fahrt dauern, hat der Typ vom Hafenbüro vor ein paar Tagen gemeint und ich wusste schon damals, dass das totaler Blödsinn ist, mit fünf Stunden für sechzig Kilometer hätte ich aber auch nicht gerechnet. Das wäre knapp geworden mit dem letzten Boot auf die Nachbarinsel, wäre der Fährbetrieb nicht aufgrund der hohen Wellen ohnehin eingestellt worden. Das übersetzt mir endlich ein Mädchen im Bus, nach minutenlangen Versuchen einer Verständigung zwischen mir und den restlichen Fahrgästen. Ich solle mir hier ein Quartier suchen und auf morgen hoffen. Es bleibt mir auch nichts anderes übrig. Es gibt gar keine andere Möglichkeit, diese Insel zu verlassen. Ich wünschte, ich könnte ein paar Brocken BahasaIndonesia. Das Reisen wird immer schwieriger. Die einzige Unterkunft Wairiangs hat überraschend saubere und moderne Zimmer. Im Warungstehen zwei Speisen am Menü. Bakso, ekelhafte Bällchen mit tierischen Nebenprodukten, und gebratene Nudeln mit Ei, genau das Richtige nach tagelanger Reisdiät. Eine doppelte Portion jetzt und ein paar Stunden später noch eine doppelte Portion. Ich suche und finde den Hafen, einen kleinen Holzsteg mit nicht viel mehr. Ein Spaziergang durch das Dorf. Viele Hände schütteln, viele strahlende Gesichter.


26.1., Lamalera
Hoffnungsvoll setze ich mich am Strand auf ein Mäuerchen und warte, ob die Flotte oder zumindest eines der Boote heute ausläuft. Dem ist nicht so, nach zwei Stunden hau ich mich wieder unter meinen Unterstand und lese. Sollte sich bei den Fischern etwas tun, bin ich in fünf Minuten unten und das wird reichen. Schon wieder ein kleiner Fisch, Reis und irgendwelche gedünsteten Blätter zu Mittag, die gleiche eintönige Kost seit meiner Ankunft. Eine kleine Banane gibt´s noch dazu. Das Dorf befindet sich im Dämmerzustand. Ein paar Männer flicken Netze, einer stutzt mit einer Machete einen Baum. Der Rest hat sich einen schattigen Platz gesucht und döst. Stille, nicht einmal Musik spielt´s. Kurz gehe ich schnorcheln, dann schwinge ich mich auf das Dorfleben ein und gehe auf Standby. Gegen Abend sitzt ein Grüppchen Frauen im dunklen Vorzimmer des Hauses, als ich vom Zimmer nach unten gehe. Ein mit Kerzen erleuchtetes Bild einer Heiligen wird angebetet, das die Frauen dann in einer kleinen Prozession im strömenden Regen nach unten zur Kapelle tragen. Anstelle des Walzahnes kaufe ich dem Fischer Stefanos einen viel kleineren Delfinzahn ab, der wird als Souvenir reichen. Morgen werde ich kurz nach Drei aufstehen. Laut dem Hausherren Abel fährt der erste Bus zurück nach Lewoleba gegen Vier.