Sonntag, 22. Januar 2017



21.1., Maumere, Waiwerang
Keine zehn Minuten stehe ich kurz vor Sieben neben der Hauptstraße, bleibt schon ein Minibus nach Larantuka stehen, der östlichsten Stadt von Flores mit Hafen zu den Inseln des Solor-Alor-Archipels. Heute die Frauen Perry und Pink in Dauerschleife, während wir beengte Dörfer außerhalb Maumeresabklappern, um noch mehr Passagiere für die vierstündige Fahrt aufzutun. Stelzenhäuser, verdreckte Gassen, Männer, die an Einbäumen hobeln. Dann wird es immer einsamer. Statt kleiner Siedlungen nur mehr einzelne Höfe inmitten von Reisfeldern. Fahrende Händler mit Besen und anderen Waren auf ihren Mopeds. Ein Bauer schleift seine Harke, indem er sie während der Fahrt auf dem Asphalt neben sich her zieht. In Larantuka bringt mich ein Typ zu einer Bootsanlegestelle und von dort setzt mich ein kleiner Kutter die dreihundert Meter zur Insel Adonara über. Der Steuermann muss dabei steil gegen die in dieser Enge herrschende Strömung halten, damit wir nicht zu weit abgetrieben werden. Drüben funktioniert die Verständigung endgültig nur mehr mit mehrfach unterschiedlich betonten Ortsnamen und einfachsten Gesten, beide Hände an den geneigten Kopf mit Schnarchgeräuschen zum Beispiel oder reibende Finger und gestreckte Finger für Preisverhandlungen. Mein Bilderbuch mit den wichtigsten Symbolen für unterwegs ist noch irgendwo im Hauptgepäck vergraben. Nach Wureh möchte ich, zu irgendeinem namenlosen Marktflecken in der entgegengesetzten Richtung bringt mich ein Mopedtaxler, weil es nur hier so etwas wie eine Unterkunft gibt. Bis ich das verstehe, vergeht eine halbe Stunde inmitten einer Traube aufgewühlter Eingeborener, die mich mit wertlosen Wortfetzen und englischen Phrasen behelligen, die sie irgendwo einmal aufgeschnappt haben. „Whereyougo, Mister?“, das war´s aber dann. Permanent zupft wer an mir oder klopft mir auf die Schulter, während ich herauszufinden versuche, wer mich hier überhaupt versteht. Das finstere Loch mit zwei Stockbetten darin mitten im Marktgebiet ist skandalös, keinen Hund würde ich hier über Nacht einsperren. Ein Benzintandler verschafft mir schließlich einen groben Überblick über die örtlichen Gegebenheiten, nur in Waiwerang gäbe es zwei Homestays.Mein Reiseführer erwähnt ebenfalls zwei Unterkünfteim Hauptort der Insel, lässt aber die essentielle Frage unbeantwortet, welches der vielen Dörfer denn jetzt der eigentliche Hauptort ist. Schreibtischtäter,na wurscht. Mohidor, ein fünfundzwanzigjähriger Bursche, dessen Familie hier heute einen Marktstand betreibt, bietet mir schließlich an, mit ihnen nach Waiwerang zurückzufahren, sobald sie die Waren am Pickup verstaut hätten. Ich finde mich wieder inmitten vieler anderer auf großen Kleidungssäcken in luftiger Höhe sitzend, bei einem entgegenkommenden Truck haue ich mir gleich ordentlich die Zehen an, weil ich meine Füße arglos herunterbaumeln habe lassen und die Straßen sehr eng sind. Mohidor möchte dann alles über die westlichen Gepflogenheiten in Bezug auf vorehelichen Sex, Prostitution, Heirat und Religionsausübung wissen und während wir die engen Kehren über die Hügel im Landesinneren erklimmen, stehe ich pflichtschuldigst Rede und Antwort. Ob Polygamie in Ordnung sei und ob bei uns die Frauen vor der Eheschließung ebenfalls schriftlich bestätigen müssten, dass mit ihnen körperlich und geistig alles in Ordnung sei? Nicht alles ist mit wenigen Sätzen erklärt. Warum es denn überhaupt noch horizontales Gewerbe bei uns gäbe, wo doch quasi jeder mit jedem jederzeit und ähnliche Kurzschlüsse gilt es aufzuklären. Selbstredend ist er begeistert ob der geschilderten Zustände und gibt mir noch einen Kaffee im Haus der Familie aus, ehe er mich zu den zwei Hotels führt. Die schüchterne Frau des Bruders tastet sich die Wand entlang so weit bis zum Vorraum vor, in dem wir sitzen, dass ich ganz kurz ihre neugierigen Augen sehe, dann reicht sie die Tassen ins Leere und zieht sich hurtig ins Innere des Hauses zurück, nachdem ihr der Schwager endlich den Kaffee abgenommen hat. An der Wand hängt ein Bild seines Koranlehrers und ich lerne alles über halal und haram und noch irgendwas dazwischen, ohne Worte. Mohidor selbst hätte auch einen Raum frei, der ist allerdings bis auf eine Matte am Boden leer und moskitoverseucht. Im Hotel Asri checke ich ein und verschnaufe erst einmal, anstrengend ist das Vagabundendasein. Am Abend gibt´s nicht mehr viel zu tun oder zu sehen in Waiwerang und ich bin froh, dass ich noch gebratenen Reis mit kleinen Fischen und Kokosraspeln und eine Flasche Wasser dazu aufstellen kann.

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