23.1.,
Waiwerang
Im
einzigen Internetcafe der Insel bin ich gestern noch am Boden meines Sichtschutzquadrats
aus Sperrholzgesessen und habe mühsam nach letzten Spuren von schon lange
wegpolierten Buchstaben auf vorsintflutlichen Tastaturen gesucht, um der
Außenwelt meine ewiggültigen Botschaften zu übermitteln. Der Laden selbst wäre
ja ganz geräumig gewesen, aber der Kunde hat nur einen lumpigen Quadratmeter
zur Verfügung. Ich musste meine eingeschlafenen Schläuche schon bald in den
Nachbarkobel schieben, wo sich mehrere Schülerinnen sardinenartig versammelt
hatten, um sich die neuesten indonesischen Musikclips anzusehen. Anschließend ewig
lange gekochtes Rindfleisch beim Wirten mit dicker Sauce und mit selbst
mitgebrachtem Bier, das er mir bereitwillig aufgemacht und eingeschenkt hat,
dann auf der finsteren Straße heim. Die Gehsteige waren schon lange
hochgeklappt. Heute starte ich mit einem herzhaften Frühstück in den Tag. Nach
dem Kaffee im Homestay und nachdem ich die Tageseinkäufe und das Auftanken der
Reibe erledigt habe, setze ich michin das Warung von gestern. Ich möchte nachher
den Rest der Insel abfahren und unterwegs ist nicht mehr mit
Gastronomiebetrieben zu rechnen. Ich bin noch dabei, die ungekühlten Teller und
Töpfe in der Auslage zu inspizieren, da gibt mir der Wirt schon zu verstehen,
dass er genau das Richtige für mich
hätte. Da er sich sehr über meinen abermaligen Besuch gefreut hat, vertraue ich
ihm voll und ganz und unter Zuhilfenahme meines Bilderbuchs finde ich schon
bald heraus, dass es drei Schweineherzen sind, die er mir mit Beilagen freudig
unter die Nase geschoben hat. Teile davon sind butterweich und schmecken sehr
intensiv und gut, der Rest ist sehnig-knorpelig und nichts für europäische
Geschmäcker. Nahrungsaufnahme erledigt, eigentlich könnte ich los. Da fällt mir
ein, dass heute in Waiwerang selbst ein großer Wochenmarkt stattfindet, den muss
ich mir auch noch ansehen. Je näher ich der Handelsecke komme, desto
verstopfter wird die Straße. Irgendwann parke ich mein Moped und gehe zu Fuß
weiter. Neben dem Üblichen verkauft man hier auch ausgegrabene
Bananenstaudenwurzeln und Frauen preisen Fische an, die so groß sind, dass man
sie nicht mehr alleine wegtragen könnte. Nicht alle von ihnen sind noch ganz
taufrisch, so manches Exemplardürfte schon mehrere Markttage hinter sich haben.
Ob dieser hier ein Tauschmarkt ist, werde ich heute nicht mehr herausfinden.
Gerade als ich mich an einem im Stau steckenden Auto vorbeischlängeln will,
steigt eine Frau mit einem Kleinkind auf ihrem Arm aus und der hinterhältige Zwerg
kotzt mir von der Hüfte abwärts das komplette rechte Hosenbein mit brauner
Suppe voll. Du kleines Stück Dreck, das darf ja wohl nicht wahr sein! Was hast
du heute schon alles in dich hineingefressen? Ich schwimme förmlich in meinen
Sandalen. Der Gestank von Milchsäure steigt mir in die Nase, die Mutter schaut
mich mit großen Augen an. Ich packe es nicht, warum passiert so etwas immer
mir? Der Wurm scheint noch nicht strafmündig und es hat auch nicht den
Anschein, als ob er sich der Tragweite seiner Tat bewusst ist. Außerdem
beobachten mich zu viele Menschen, ich muss ihn am Leben lassen. Notdürftig
säubere ich mich vor Ort, daheim wasche ich Hose und ebenfalls
angebröckeltesLeiberl aus, ehe ich endgültig losstarten kann. Ich folge ein
Weilchen der Küste nach Osten. Jedes Haus hat Gräber im Garten stehen. Der Müll
wird an mehreren Stellen den Hang hinunter direkt ins Meer gekippt, wo an zwei
Häfen unzählige Holzboote vor Anker liegen. Alle sind weiß gestrichen und sehen
brandneu aus. Manche sind so schnittig gearbeitet, dass sie aussehen wie
Rennboote. Dann nehme ich eine Straße, die sich hoch und immer höher durch
sonst unberührt scheinenden Urwald schlängelt, bis es richtig kühl wird.
Irgendwo nehme ich für ein Weilchen einen Passanten mit Machete mit, irgendwo
liegt ein schon mehrfach durchgesägter, großer Baum über der Straße und jeder
muss den Jugendlichen, die dort warten, fünftausend Rupien Wegzoll bezahlen. Ob
sie so für ihren gemeinnützigen Dienst entschädigt werden oder ob es sich um
Wegelagerer handelt, kann ich nicht sagen. Rafael hat mir gestern auf seiner
Karte eine Strecke von siebzehn Kilometern markiert, wo die Straße kaputt sei.
Selbstverständlich möchte ich herausfinden, welchen Zustand eine Straße erreichen
muss, damit sie auch ein Indonesier als kaputt erachtet, und ich werde nicht
enttäuscht. Ich brauche gute zwei Stunden für das Teilstück des Todes und mein
Hintern ist nachher weichgeklopft wie bestes sonntägliches Schnitzelfleisch bei
Muttern, das genügt für heute.
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