Samstag, 28. Januar 2017



23.1., Waiwerang
Im einzigen Internetcafe der Insel bin ich gestern noch am Boden meines Sichtschutzquadrats aus Sperrholzgesessen und habe mühsam nach letzten Spuren von schon lange wegpolierten Buchstaben auf vorsintflutlichen Tastaturen gesucht, um der Außenwelt meine ewiggültigen Botschaften zu übermitteln. Der Laden selbst wäre ja ganz geräumig gewesen, aber der Kunde hat nur einen lumpigen Quadratmeter zur Verfügung. Ich musste meine eingeschlafenen Schläuche schon bald in den Nachbarkobel schieben, wo sich mehrere Schülerinnen sardinenartig versammelt hatten, um sich die neuesten indonesischen Musikclips anzusehen. Anschließend ewig lange gekochtes Rindfleisch beim Wirten mit dicker Sauce und mit selbst mitgebrachtem Bier, das er mir bereitwillig aufgemacht und eingeschenkt hat, dann auf der finsteren Straße heim. Die Gehsteige waren schon lange hochgeklappt. Heute starte ich mit einem herzhaften Frühstück in den Tag. Nach dem Kaffee im Homestay und nachdem ich die Tageseinkäufe und das Auftanken der Reibe erledigt habe, setze ich michin das Warung von gestern. Ich möchte nachher den Rest der Insel abfahren und unterwegs ist nicht mehr mit Gastronomiebetrieben zu rechnen. Ich bin noch dabei, die ungekühlten Teller und Töpfe in der Auslage zu inspizieren, da gibt mir der Wirt schon zu verstehen, dass er genau das Richtige  für mich hätte. Da er sich sehr über meinen abermaligen Besuch gefreut hat, vertraue ich ihm voll und ganz und unter Zuhilfenahme meines Bilderbuchs finde ich schon bald heraus, dass es drei Schweineherzen sind, die er mir mit Beilagen freudig unter die Nase geschoben hat. Teile davon sind butterweich und schmecken sehr intensiv und gut, der Rest ist sehnig-knorpelig und nichts für europäische Geschmäcker. Nahrungsaufnahme erledigt, eigentlich könnte ich los. Da fällt mir ein, dass heute in Waiwerang selbst ein großer Wochenmarkt stattfindet, den muss ich mir auch noch ansehen. Je näher ich der Handelsecke komme, desto verstopfter wird die Straße. Irgendwann parke ich mein Moped und gehe zu Fuß weiter. Neben dem Üblichen verkauft man hier auch ausgegrabene Bananenstaudenwurzeln und Frauen preisen Fische an, die so groß sind, dass man sie nicht mehr alleine wegtragen könnte. Nicht alle von ihnen sind noch ganz taufrisch, so manches Exemplardürfte schon mehrere Markttage hinter sich haben. Ob dieser hier ein Tauschmarkt ist, werde ich heute nicht mehr herausfinden. Gerade als ich mich an einem im Stau steckenden Auto vorbeischlängeln will, steigt eine Frau mit einem Kleinkind auf ihrem Arm aus und der hinterhältige Zwerg kotzt mir von der Hüfte abwärts das komplette rechte Hosenbein mit brauner Suppe voll. Du kleines Stück Dreck, das darf ja wohl nicht wahr sein! Was hast du heute schon alles in dich hineingefressen? Ich schwimme förmlich in meinen Sandalen. Der Gestank von Milchsäure steigt mir in die Nase, die Mutter schaut mich mit großen Augen an. Ich packe es nicht, warum passiert so etwas immer mir? Der Wurm scheint noch nicht strafmündig und es hat auch nicht den Anschein, als ob er sich der Tragweite seiner Tat bewusst ist. Außerdem beobachten mich zu viele Menschen, ich muss ihn am Leben lassen. Notdürftig säubere ich mich vor Ort, daheim wasche ich Hose und ebenfalls angebröckeltesLeiberl aus, ehe ich endgültig losstarten kann. Ich folge ein Weilchen der Küste nach Osten. Jedes Haus hat Gräber im Garten stehen. Der Müll wird an mehreren Stellen den Hang hinunter direkt ins Meer gekippt, wo an zwei Häfen unzählige Holzboote vor Anker liegen. Alle sind weiß gestrichen und sehen brandneu aus. Manche sind so schnittig gearbeitet, dass sie aussehen wie Rennboote. Dann nehme ich eine Straße, die sich hoch und immer höher durch sonst unberührt scheinenden Urwald schlängelt, bis es richtig kühl wird. Irgendwo nehme ich für ein Weilchen einen Passanten mit Machete mit, irgendwo liegt ein schon mehrfach durchgesägter, großer Baum über der Straße und jeder muss den Jugendlichen, die dort warten, fünftausend Rupien Wegzoll bezahlen. Ob sie so für ihren gemeinnützigen Dienst entschädigt werden oder ob es sich um Wegelagerer handelt, kann ich nicht sagen. Rafael hat mir gestern auf seiner Karte eine Strecke von siebzehn Kilometern markiert, wo die Straße kaputt sei. Selbstverständlich möchte ich herausfinden, welchen Zustand eine Straße erreichen muss, damit sie auch ein Indonesier als kaputt erachtet, und ich werde nicht enttäuscht. Ich brauche gute zwei Stunden für das Teilstück des Todes und mein Hintern ist nachher weichgeklopft wie bestes sonntägliches Schnitzelfleisch bei Muttern, das genügt für heute.

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