8.1, Labuan
Bajo
Ein blauer,
ein gelber und ein roter Kolibri flattern zwischen den Blüten des Papayabaumes
neben unserem Balkon, wo wir zum vierten Mal in Serie Limonenpalatschinken
vorgesetzt bekommen. Eine gestern beim Vermittler unseres Vertrauens gebuchte Special Interest Tour steht an, ein
Schnorchelausflug zur kleinen Insel Sabolon nordwestlich vom Festland. Nur mit uns
drei Gästen an Bord knattert ein altersschwacher und eigentlich viel zu großer Kahn schon bald aus der vollgeparkten Bucht
vor Labuan Bajo. Den alten Bootsführer erwartet heute ein ebenso gechillter Tag
wie uns, er wird den Großteil davon am schattigen Deck verschlafen. Nach einer
Stunde legen wir an einem langen Holzsteg an, der von der unbewohnten Insel inmitten
herrlichster Korallen ins glasklare Wasser gebaut wurde und schon vom Pier
sehen wir einen Rochen, der sich hurtig im Sand eingräbt, ein paar kleine
Riffhaie und einen bunten Reigen an Fischen aller Art. Eigentlich müsste man
gar nicht ins Wasser. Quallen treiben ebenfalls an der Oberfläche, allerdings
Exemplare ohne Nesselfäden, die eher wie zwei an der Oberseite verbundene
Blätter aussehen. Ob die auch nesseln? Eher unwahrscheinlich, da hätte uns ja
wohl irgendwer Bescheid gegeben. Trotzdem hätte ich jetzt gerne meinen Schwimmanzug,
der mir ja vor einigen Tagen höchst skrupellos gefladert worden ist. Also Maske
auf und rein in die Flossen und dann ein beherzter Sprung vom Ende des Stegs.
Mitten hinein in einen raumfüllenden Schwarm von Quallen, wie ich mit einem
Blick unter Wasser panisch erkennen muss. Die Geleeviecher treiben nicht nur an
der Oberfläche, sie sind überall. An vielen Stellen am Oberkörper spüre ich schon
brennenden Schmerz, wie unzählige gleichzeitig ausgeteilte Peitschenhiebe. Ich
muss hier ganz dringend raus. Bis ich zur ersten seitlichen Querverstrebung aus
Holz komme, die die Steher miteinander verbindet, bis ich mir endlich die
Flossen ausgezogen und grunzend zu Ena nach oben gereicht habe, bis ich in Windeseile
die Holzbalken hochgeklettert bin, sind vielleicht insgesamt zwanzig Sekunden vergangen,
aber das Ergebnis ist verblüffend. Wie ein verdutztes Streifenhörnchen inspiziere
ich meinen geschundenen Körper, es brennt ganz beachtlich an vielen Stellen. Wäre
ich alleine und nicht vor fünf Minuten am Klo gewesen, würde ich mich ja sofort
mit meiner eigenen Lulle einreiben, um das Gift mit der Harnsäure zu
neutralisieren. Aber in Gegenwart unwissender weiblicher Gesellschaft erscheint
mir diese Maßnahme dann doch als etwas zu brachial und könnte mir später als
sinnloser, perverser Ausraster angelastet werden. Im seichten Salzwasser versuche
ich mit Bedacht, eventuell noch nicht aufgeplatzte Nesselkapseln abzuspülen. Nach
einer guten Stunde lässt der Schmerz nach und die Rötungen verblassen langsam,
halb so wild. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir jetzt drei verschiedene Arten
von Quallen, die langsam unter uns vorbei treiben. Neben der schon erwähnten Art
auch sehr fragile, fast nicht erkennbare Exemplare mit kirschgroßem Hauptkörper
und fadendünnen Tentakeln und dann noch längliche Quallen mit violetten
Eierpaketen im transparenten Körperinneren. Drauf geschissen, immer ich.
Schnorcheln hat sich erledigt. Lieber ein Picknick auf den warmen Holzbrettern mit
allem, was wir die letzten Tage dafür hamstern konnten. Das Ambiente dafür ist exquisit,
der kulinarische Teil etwas enttäuschend. Das Brot vom Italiener schmeckt billig
und alt, der eingeschweißte Käse vom Supermarkt ist nahezu geschmacklos, die Avocados
sind zum Teil noch nicht reif. Ein junger Finne mit Hang zum Survival schaut interessiert
vorbei. Er hat sich für ein paar Tage hierher bringen und aussetzen lassen und
lebt seitdem von Nudeln und Dosenfisch, weil die lebenden Artgenossen nicht
beißen wollen. Quallen hätte er in seinem Strandabschnitt ein Stück runter noch
keine bemerkt. Während er sich über unsere Reste hermacht, versuchen wir dort
noch einmal unser Glück und tatsächlich, nur mehr ganz vereinzelt verirrt sich
ein Viech hierher. Schon nach zwei Metern im seichten Wasser leuchten die
ersten unbeschädigten Korallen. Erstaunlich, weil sonst eigentlich unmöglich
wegen der vor allem bei Sturm zerstörerischen Brandung in unmittelbarer
Küstennähe. Hier dürfte es immer äußerst beschaulich zugehen. Ein einsames, tropisches Paradies. Zwei giftige, aber friedliche Seeschlangen,
Ena sieht eine Schildkröte, die am Hang döst. Am frühen Nachmittag steuern wir
noch die Insel Seraya Kecil an und lümmeln mit beschlagenen Drinks am Pool des
hiesigen Luxusresorts ab, das heute eigentlich wegen Renovierungsarbeiten
geschlossen hat. Keine der Hütten für knapp dreihundert Juros die Nacht ist
belegt, der Strand gehört uns. Alle drei haben wir uns heute in der Sonne ordentlich
verbrannt. Daheim packen Ena und Edina, sie fliegen morgen heim. Ich bin schon
fleißig am Schmieren, die Striemen und Flecken beginnen langsam zu jucken.
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