Montag, 9. Januar 2017



8.1, Labuan Bajo
Ein blauer, ein gelber und ein roter Kolibri flattern zwischen den Blüten des Papayabaumes neben unserem Balkon, wo wir zum vierten Mal in Serie Limonenpalatschinken vorgesetzt bekommen. Eine gestern beim Vermittler unseres Vertrauens gebuchte Special Interest Tour steht an, ein Schnorchelausflug zur kleinen Insel Sabolon nordwestlich vom Festland. Nur mit uns drei Gästen an Bord knattert ein altersschwacher und eigentlich viel zu großer  Kahn schon bald aus der vollgeparkten Bucht vor Labuan Bajo. Den alten Bootsführer erwartet heute ein ebenso gechillter Tag wie uns, er wird den Großteil davon am schattigen Deck verschlafen. Nach einer Stunde legen wir an einem langen Holzsteg an, der von der unbewohnten Insel inmitten herrlichster Korallen ins glasklare Wasser gebaut wurde und schon vom Pier sehen wir einen Rochen, der sich hurtig im Sand eingräbt, ein paar kleine Riffhaie und einen bunten Reigen an Fischen aller Art. Eigentlich müsste man gar nicht ins Wasser. Quallen treiben ebenfalls an der Oberfläche, allerdings Exemplare ohne Nesselfäden, die eher wie zwei an der Oberseite verbundene Blätter aussehen. Ob die auch nesseln? Eher unwahrscheinlich, da hätte uns ja wohl irgendwer Bescheid gegeben. Trotzdem hätte ich jetzt gerne meinen Schwimmanzug, der mir ja vor einigen Tagen höchst skrupellos gefladert worden ist. Also Maske auf und rein in die Flossen und dann ein beherzter Sprung vom Ende des Stegs. Mitten hinein in einen raumfüllenden Schwarm von Quallen, wie ich mit einem Blick unter Wasser panisch erkennen muss. Die Geleeviecher treiben nicht nur an der Oberfläche, sie sind überall. An vielen Stellen am Oberkörper spüre ich schon brennenden Schmerz, wie unzählige gleichzeitig ausgeteilte Peitschenhiebe. Ich muss hier ganz dringend raus. Bis ich zur ersten seitlichen Querverstrebung aus Holz komme, die die Steher miteinander verbindet, bis ich mir endlich die Flossen ausgezogen und grunzend zu Ena nach oben gereicht habe, bis ich in Windeseile die Holzbalken hochgeklettert bin, sind vielleicht insgesamt zwanzig Sekunden vergangen, aber das Ergebnis ist verblüffend. Wie ein verdutztes Streifenhörnchen inspiziere ich meinen geschundenen Körper, es brennt ganz beachtlich an vielen Stellen. Wäre ich alleine und nicht vor fünf Minuten am Klo gewesen, würde ich mich ja sofort mit meiner eigenen Lulle einreiben, um das Gift mit der Harnsäure zu neutralisieren. Aber in Gegenwart unwissender weiblicher Gesellschaft erscheint mir diese Maßnahme dann doch als etwas zu brachial und könnte mir später als sinnloser, perverser Ausraster angelastet werden. Im seichten Salzwasser versuche ich mit Bedacht, eventuell noch nicht aufgeplatzte Nesselkapseln abzuspülen. Nach einer guten Stunde lässt der Schmerz nach und die Rötungen verblassen langsam, halb so wild. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir jetzt drei verschiedene Arten von Quallen, die langsam unter uns vorbei treiben. Neben der schon erwähnten Art auch sehr fragile, fast nicht erkennbare Exemplare mit kirschgroßem Hauptkörper und fadendünnen Tentakeln und dann noch längliche Quallen mit violetten Eierpaketen im transparenten Körperinneren. Drauf geschissen, immer ich. Schnorcheln hat sich erledigt. Lieber ein  Picknick auf den warmen Holzbrettern mit allem, was wir die letzten Tage dafür hamstern konnten. Das Ambiente dafür ist exquisit, der kulinarische Teil etwas enttäuschend. Das Brot vom Italiener schmeckt billig und alt, der eingeschweißte Käse vom Supermarkt ist nahezu geschmacklos, die Avocados sind zum Teil noch nicht reif. Ein junger Finne mit Hang zum Survival schaut interessiert vorbei. Er hat sich für ein paar Tage hierher bringen und aussetzen lassen und lebt seitdem von Nudeln und Dosenfisch, weil die lebenden Artgenossen nicht beißen wollen. Quallen hätte er in seinem Strandabschnitt ein Stück runter noch keine bemerkt. Während er sich über unsere Reste hermacht, versuchen wir dort noch einmal unser Glück und tatsächlich, nur mehr ganz vereinzelt verirrt sich ein Viech hierher. Schon nach zwei Metern im seichten Wasser leuchten die ersten unbeschädigten Korallen. Erstaunlich, weil sonst eigentlich unmöglich wegen der vor allem bei Sturm zerstörerischen Brandung in unmittelbarer Küstennähe. Hier dürfte es immer äußerst beschaulich zugehen. Ein einsames, tropisches Paradies.  Zwei giftige, aber friedliche Seeschlangen, Ena sieht eine Schildkröte, die am Hang döst. Am frühen Nachmittag steuern wir noch die Insel Seraya Kecil an und lümmeln mit beschlagenen Drinks am Pool des hiesigen Luxusresorts ab, das heute eigentlich wegen Renovierungsarbeiten geschlossen hat. Keine der Hütten für knapp dreihundert Juros die Nacht ist belegt, der Strand gehört uns. Alle drei haben wir uns heute in der Sonne ordentlich verbrannt. Daheim packen Ena und Edina, sie fliegen morgen heim. Ich bin schon fleißig am Schmieren, die Striemen und Flecken beginnen langsam zu jucken.

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