Sonntag, 27. Januar 2019

26.1., Medellin
Um zehn vor Acht werfen auf der Straße unter uns Straßenarbeiter die Flex und den Presslufthammer gleichzeitig an, der ganze Gehsteig wird aufgerissen. Unserem einzigen Fenster fehlen einige elementare Teile wie zum Beispiel Glas und der infernale Lärm zwingt uns umgehend aus dem Bett und aus dem Bezirk.
Von Süden nach Norden durchfahren wir über die erhöhte U-Bahn-Trasse die gesamte Stadt, bis wir am nördlichen Ende des Tales in eine Seilbahn steigen, die einen der steilen seitlichen Berghänge hochführt. Sie ist nur eine von vielen und ganz normaler Bestandteil der öffentlichen Verkehrsmittel von Medellin. Vor einigen Jahren wurden mit Hilfe dieser Seilbahnen die vom Zentrum weit entfernten, ärmlichen Siedlungen in den Außenbezirken mit dem Rest der Stadt verbunden. Die hauptsächlich aus unverputzten Ziegeln gebauten Hütten und Häuser den Hang hoch wirken zwar ärmlich und klein, haben aber mit Slums im herkömmlichen Sinn nicht viel gemeinsam. Irgendwann lichten sich die Reihen, bis weiter oben nur mehr vereinzelte Verschläge inmitten unberührter Botanik stehen. Trampelpfade statt Straßen, neue Parzellen werden in der jungfräulichen Schräge quasi ausgestochen. Medellin ist riesig, wenn man es von ganz oben überblickt und es gibt noch Platz zu expandieren.
Die Wanderwege am oberen Grat lassen wir aus und trinken nur eine Tasse mit Zuckerrohr gesüssten Kokatee, bis wir von irgendwelchen unsichtbaren Viechern attackiert werden und so schnell wie möglich zurück ins Tal flüchten. In den Schuhen, unter der Hose und unter dem Leiberl juckt es plötzlich abartig und wenig später zähle ich über sechzig nässende Beulen, die minütlich mehr werden. Was zum Geier, immer ist irgendwas. Das Internetz sollte man diesbezüglich nicht
konsultieren, es gibt schreckliche Dinge da draußen. 

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